Als ob der Lockdown nicht schon schlimm genug war für die Uhu-Bar: Jetzt ist dem bunten Treff auch noch gekündigt worden. „Mein Herz tut weh“, sagt Altstadt-Original Oskar Müller. Das Laufhaus darüber hat zugemacht – der Uhu muss es auch.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Ein Bild mit klarer Botschaft schmückt die rote Wand der Uhu-Bar im Leonhardsviertel. „Woanders is auch Scheiße“, steht da drauf. Vor 15 Jahren hat Peter Müller, zu dem alle Oskar sagen, die kleine Kneipe im Erdgeschoss eines Laufhauses an der Leonhardstraße aufgebaut und rasch zu einer Besonderheit im Rotlichtviertel gemacht. Das Lokal dokumentiert mit unzähligen Fotos die Stationen eines bewegten Altstadtlebens in Frankfurt, Hamburg und Stuttgart. Für die Gäste war die Bar mehr als ein zweites Wohnzimmer, ja, ein Stück Heimat. Jetzt muss Oskar mit seiner Wirtin Klaudia Kacijan „woanders“ hin. Denn dem Uhu-Team ist gekündigt worden.

 

„Da steckt mein ganzes Herzblut drin“, sagt der 82-Jährige, fast den Tränen nahe, aber doch irgendwie gefasst: „Was willste machen?“ Bereits nach vorne schaut er.

Vermieter hat die Sonderkündigung des Laufhauses nicht anerkannt

In kaum einem anderen Ort der Altstadt hat man eine so bunte Mischung an Gästen angetroffen wie hier. Die knarrende Treppe führt hoch zum Laufhaus, dessen Betreiber aus Altersgründen aufhören will. Unten links geht’s von der Treppe in die Uhu-Bar, in ein Biotop der Nacht, das besonders bei Kulturschaffenden der Stadt beliebt ist. Nur Freier mussten draußen bleiben. Der Bordellchef hatte das Lokal im Erdgeschoss an seinen alten Kumpel Oskar untervermietet. Beim Hauseigentümer macht der Laufhaus-Betreiber nun eine Sonderkündigung wegen Corona geltend, die der Immobilienbesitzer jedoch nicht anerkennt. „Dies muss erst noch geklärt werden“, sagt seine Sprecherin.

Möglicherweise wird ein Gericht darüber entscheiden, ob Verträge in der Pandemie anders ausgelegt werden können. Bis zur Klärung kann viel Zeit vergehen. Weil der Uhu-Laufhauschef aber aufhören will, gilt der Untermietvertrag nicht mehr. „Die Uhu-Bar kann weitermachen“, betont indes der Hausbesitzer. Oskar Müller ist überrascht. „Das will ich schriftlich“, sagt er und glaubt dem Vermieter nicht.

Die Stammgäste und das Team um Uhu-Wirtin Klaudia Kacijan fürchten das Ende. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als was Neues zu suchen“, sagt Oskar Müller und startet einen Aufruf: „Wer was weiß, soll sich melden. Der Raum darf aber nicht größer als 100 Quadratmeter sein.“

Oskar bittet um Unterstützung bei der Suche nach Räumen

Der Uhu war bis zur überraschenden Kündigung ein Rückzugsgebiet und nächtlicher Wohlfühlort, wollte nach dem Lockdown aufmachen. Dass ein familiäres Miteinander in einem schwierigen Quartier möglich ist, hat die Bar eindrucksvoll bewiesen. „Eigentlich müsste sie zum Weltkulturerbe erklärt werden“, hört man.

Nach der Wahrscheinlichkeit eines langen Altstadtlebens müsste der 1,68 Meter große Oskar Müller längst „erschossen“ oder „erstochen“ sein, wie er selbst sagt. Aber mit „Grips“ habe er sich gegen die „Schränke“ des Rotlichts einst in Frankfurt, Hamburg und jetzt in Stuttgart durchsetzen können. Jetzt will der Wirt, der unter seiner Matrosenmütze zu später Stunde oft den Reeperbahn-Ohrwurm von Hans Albers gesungen hat, alles daransetzen, dass sein Uhu ein neues Nest findet. „Es wird sehr schwierig“, weiß er.

Wer ihm was bieten kann, bekommt garantiert ein persönliches Ständchen von Oskar. Der Wandel der Altstadt schreitet rasant voran, in der Pandemie werden die Karten neu gemischt. Die Fans der Uhu-Bar rufen zur Unterstützung auf und fordern: Diese Institution darf nicht sterben!