Im abgelaufenen Jahr stand ein Mammutprozess wegen Goldschmuggels im Blickpunkt, auch die Vorkommnisse in der Zulassungsstelle Böblingen beschäftigen die Gerichte noch immer. Und ein Täter erhielt seine Strafe fast zehn Jahre nach der Tat.

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber stetig, heißt ein gern zitiertes Sprichwort. Dafür sind sie gründlich, muss man ehrlicherweise ergänzen. Mancher Straftäter muss zwar angesichts knapper Personalressourcen und stetig steigender Fallzahlen an den Gerichten etwas länger auf seine Strafe warten, aber am Ende steht dann doch irgendwann ein Urteil. Das hat sich in diesem Jahr auch wieder im Altkreis Leonberg bestätigt, wo ein im Jahr 2021 begonnener Prozess der Superlative zu Ende ging und unlautere Machenschaften in der Zulassungsstelle Böblingen zwischen 2016 und 2020 noch immer die Gerichte beschäftigen.

 

Mammutverfahren im Goldschmuggelprozess

Im Dezember 2021 begann am Landgericht Stuttgart der so genannte Goldschmuggel-Prozess, für den der Begriff Mammutverfahren nicht übertrieben ist: Fünf Richter, ein Staatsanwalt, eine Sachverständige, fünf Angeklagte und 17 Anwälte mussten in einem der größeren Säle des Gebäudes untergebracht werden. Nach zehneinhalb Monaten und 44 Verhandlungstagen, an denen zum Teil mit harten Bandagen gekämpft worden war, verurteilte die sechste Große Strafkammer die beiden Hauptangeklagten Mitte Oktober zu Haftstrafen von sechseinhalb sowie sechs Jahren und drei Monaten Haft.

Dabei wurden 37 Zeugen vernommen und mehr als 2000 Urkunden ausgewertet, darunter 600 Protokolle der Telefonüberwachung von rund 8500 Gesprächen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten zweieinhalb Tonnen Gold und Silber aus Liechtenstein im Wert von 65 Millionen Euro zu einem Schmuckgroßhändler nach Weil der Stadt gebracht hatten, ohne die dafür anfallende Umsatzsteuer von knapp elf Millionen Euro zu entrichten.

Richter findet harsche Worte

Der Vorsitzende Richter Günter Necker, der die Verhandlung über all die Monate mit stoischer Ruhe geleitet hatte, ließ es sich am letzten Tag nicht nehmen, heftige Kritik an der Verteidigung zu üben. Er sprach von „querulatorischem Verhalten“ und „teilweise unverschämten persönlichen Angriffen gegen die Sachverständige“ – Worte, die man im Gerichtssaal sehr, sehr selten hört.

Noch sechs Jahre nach Beginn im Jahr 2016 beschäftigen noch immer die Vorfälle in der Zulassungsstelle Böblingen die Justiz. Nachdem im vergangenen Jahr die Haupttäterin, eine ehemalige Mitarbeiterin der Zulassungsstelle, vom Landgericht Stuttgart zu vier Jahren und fünf Monaten Haft wegen Bestechlichkeit in knapp 300 Fällen verurteilt worden war, befand das Amtsgericht Leonberg im Oktober dieses Jahres eine Kollegin der Außenstelle Leonberg ebenfalls für schuldig.

Zwar wurden dieser nur 25 Fälle der Bestechlichkeit nachgewiesen, dennoch verhängte Amtsrichterin Sandra De Falco auch in diesem Fall keine Bewährungsstrafe mehr: Die Frau muss für zwei Jahre und zwei Monate ins Gefängnis. Allerdings ist gegen dieses Urteil noch Berufung zum Landgericht Stuttgart möglich. Und auch im kommenden Jahr werden die Vorkommnisse in der Zulassungsstelle die Justiz noch beschäftigen: Derzeit läuft ein Verfahren gegen einen ehemaligen Tüv-Gutachter wegen Falschbeurkundung von Tüv- und Abgasuntersuchungen.

Treffer in einer DNA-Datenbank führt zum Täter

Sogar neun Jahre hat es gedauert, bis ein Mann im Oktober dieses Jahres für eine Vergewaltigung aus dem Jahr 2013 verurteilt werden konnte. Verantwortlich dafür war wie so häufig ein Treffer in einer DNA-Datenbank. Das Landgericht Stuttgart sah es als erwiesen an, dass der 43-Jährige aus Weil der Stadt nach einer durchzechten Nacht in den frühen Morgenstunden eine Frau auf ihrem Weg zur Arbeit im Leonberger Krankenhaus vergewaltigt hat. Er hatte der Frau angeboten, sie zur Arbeit zu fahren, war dann aber mit ihr auf einen Feldweg abgebogen.

Der Mann muss für drei Jahre und dreieinhalb Monate ins Gefängnis und der Frau im Wege des Täter-Opfer-Ausgleichs ein Schmerzensgeld zahlen. Nicht nur, dass sich die Aufklärung des Falles so lang hinzog, auch dieser Prozess ging in eine unfreiwillige Verlängerung. Er war bereits im August begonnen worden, musste aber zunächst abgebrochen werden: Das Gericht hatte beim ersten Anlauf vergessen, einen Gutachter zu bestellen, um eine mögliche Alkoholabhängigkeit des Angeklagten und eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu untersuchen.

Mehrere Hochbetagte um ihre Ersparnisse betrogen

Ein Stück weit Gerechtigkeit widerfahren ist einer 93 Jahre alten Frau aus Leonberg, die zusammen mit mehreren anderen Hochbetagten Opfer des so genannten Polizistentricks geworden war. Das Landgericht Stuttgart verurteilte im November einen 22-Jährigen wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu fast fünf Jahren Gefängnis. Der junge Mann war Mitglied einer Bande, die alte Menschen in Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen um ihre Ersparnisse gebracht hatte – insgesamt rund 220 000 Euro.

Ein Mitglied der Bande hatte sich am Telefon als Polizist ausgegeben und behauptet, das Haus des Angerufenen stünde auf einer gefundenen Liste von Einbrechern für weitere Diebstahls-Objekte. Sie sollten ihre Wertgegenstände einem Polizisten anvertrauen, der demnächst bei ihnen vorbeikommen werde. Allerdings: Das Geld wiedersehen wird die Leonbergerin nicht. Der Täter war spielsüchtig und hat das erbeutete Geld sofort verzockt. Da helfen auch die gründlichen Mühlen der Justiz nicht mehr weiter.