Guido Buchwald ist nicht mehr Aufsichtsrat der VfB Stuttgart AG. Damit ist klar: Der einst ausgehandelte Burgfrieden hat nicht lange gehalten.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Auch wenn die sportliche Lage mies ist – es gibt beim VfB Stuttgart eine Reihe von Dingen, auf die Wolfgang Dietrich, der Präsident des Fußball-Bundesligisten, nicht ohne Stolz verweist. Eine Sache: „Die Ruhe im Verein“, von der Dietrich im Zusammenhang mit schwierigen Entscheidungen wie Trainerwechseln gerne spricht. Mit dieser Ruhe ist es jetzt vorbei.

 

Guido Buchwald, der Ehrenspielführer des Clubs, verschickte am Montag um kurz nach 16 Uhr eine E-Mail. Darin verkündete er seinen sofortigen Rücktritt als Aufsichtsrat der VfB AG sowie als Botschafter des VfB Stuttgart e.V. – und überrumpelte den Verein damit komplett. Der weitere Inhalt seines Schreibens macht die Sache noch brisanter.

Buchwald fühlt sich als Sündenbock

Der 58-Jährige wirft seinen Kollegen aus dem Aufsichtsrat vor, sie hätten ihm die Verantwortung für die sportliche Lage der Mannschaft geben wollen. Im Wortlaut schreibt Buchwald, der für eine weitere Stellungnahme am Montag nicht zu erreichen war: „Aber erneute Vorwürfe, die nach dem Spiel am Sonntagabend im Aufsichtsrat aufkamen, zeigen mir, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist und versucht wird, mir die Schuld an der Situation, in der die Mannschaft steckt, in die Schuhe zu schieben. Deshalb kann ich mein Amt auch nicht mehr konstruktiv ausüben bzw. so ausfüllen, wie ich mir das vorstelle.“

Buchwald saß seit Juli 2017 im Aufsichtsrat der VfB AG, davor war er Mitglied des Ehrenrats gewesen. Als Fußballprofi gewann er mit dem VfB 1984 und 1992 die Meisterschaft, 1990 wurde er mit dem deutschen Nationalteam Weltmeister. Seit vielen Jahren ist der frühere Defensivmann Ehrenspielführer des Clubs, als solcher „wird mein Herz weiter für den VfB schlagen“, schrieb er am Montag – nachdem der für ausgeräumt erklärte Disput erneut eskaliert war.

Erster Disput im November 2018

Im vergangenen November hatte sich Buchwald schon einmal den Zorn der VfB-Spitze zugezogen, als er in einem Interview mit dem Internetportal Sport 1 vor allem Michael Reschke kritisierte. Die Entscheidung des Sportvorstands, den Vertrag mit dem damaligen Trainer Tayfun Korkut vorzeitig zu verlängern, bezeichnete Buchwald seinerzeit öffentlich als „Fehler“. Zudem sprach er sich für mehr sportlichen Sachverstand in der Clubführung aus: „Mir wäre eine breitere sportliche Kompetenz im Verein für die Zukunft sehr wichtig. Es ist immer schwierig, wenn alles an einer Person festgemacht wird.“ Mit dieser einen Person meinte er Reschke. Um weiter im Gremium bleiben zu können, musste sich der Weltmeister von 1990 öffentlich entschuldigen. Seine „aus einer Emotion heraus getätigten medialen Äußerungen“ seien „ein Fehler“ gewesen.

Es war ein Burgfrieden, der nicht lange hielt. Nach einem Streit am Sonntagabend im Anschluss an die Partie gegen den SC Freiburg (der VfB hatte das 2:2 in der Nachspielzeit kassiert) entschloss sich Buchwald zum Rücktritt am Montag – und war auch nicht mehr umzustimmen.

Fehlt dem Club Sportkompetenz?

Wie Buchwald wollte sich auch kein VfB-Vertreter persönlich äußern. In einem Statement hieß es, der AG-Aufsichtsrat bedauere „diese Entwicklung sehr, da wir fest davon ausgegangen sind, dass mit der Erklärung von Guido Buchwald vom 4. Dezember 2018 die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt wurde“.

In Buchwald verliert das Gremium eines von bislang zwei Mitgliedern mit einem Hintergrund als Fußballprofi. Hermann Ohlicher, mit Buchwald 1984 Meister geworden, verbleibt im Aufsichtsrat neben den Wirtschaftsgrößen Wilfried Porth (Daimler), Hartmut Jenner (Kärcher) und Franz Reiner (Mercedes Benz Bank). Wolfgang Dietrich und Bernd Gaiser vertreten den Verein, Bertram Sugg gilt als Mann der Basis. Acht von neun möglichen Aufsichtsratsposten waren bislang vergeben. Mit seiner Forderung nach mehr sportlicher Kompetenz stand und steht Buchwald im Übrigen nicht allein.

Erst am Sonntagabend hatte der ehemalige VfB-Profi Thomas Berthold beim TV-Sender Sky dieselbe Meinung vertreten: „Irgendeinen ehemaligen Spieler in ein Gremium zu setzen, der aber weder informiert wird noch ein Veto einlegen kann – das ist für mich ein Alibi.“ Allerdings gilt auch: Rein rechtlich müssen in der VfB AG sowohl die generellen Kaderplanungen als auch alle Entscheidungen über Verträge mit einem größeren Volumen oder ab einer bestimmten Laufzeit mit dem Aufsichtsrat abgestimmt werden. Also bislang auch mit Buchwald.