Wie können Muslime in Deutschland heimisch werden? Das will Bundesinnenminister Horst Seehofer an diesem Mittwoch mit einer Neuauflage der Islamkonferenz ausloten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Horst Seehofer hat dem Erfinder der Deutschen Islamkonferenz fundamental widersprochen. Bevor die Runde sich im Herbst 2006 erstmals im Schloss Charlottenburg traf, hatte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärt: „Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft.“ Schäubles Nachfolger Seehofer (CSU) bekundete vor Monaten eine gegenteilige Ansicht. Jetzt will er einen Neustart der Islamkonferenz. Der Auftakt dazu ist an diesem Mittwoch. Vorab umschrieb er seine Erwartungen in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Seine provokante These, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre, kommt darin nicht vor. Nur ein Nachsatz: „Die hier lebenden Muslime gehören zu Deutschland.“ Was ist die Islamkonferenz? Schäuble wollte einen gesellschaftlichen Dialog mit den Muslimen in Deutschland anstoßen. Seinerzeit war noch nicht einmal bekannt, wie viele von ihnen hier leben. Eine der ersten Initiativen war eine umfassende Studie zum muslimischen Leben in der Bundesrepublik. Inzwischen sind hier fast fünf Millionen Muslime zu Hause. In der ersten Phase der Islamkonferenz ging es vor allem um Grundsatzfragen im Verhältnis von Staat und Religion. Fragen der Gleichberechtigung und der Familie standen zur Debatte, die Trennung von Kirche und Staat, religiöse Symbole sowie der deutschsprachige Islamunterricht in Schulen. Eine Arbeitsgruppe zum Verfassungsverständnis bekannte sich zur deutschen Rechts- und Werteordnung sowie zu Werten wie Toleranz, Respekt und Pluralismus. Was wurde bisher erreicht? Die Islamkonferenz hat in den ersten elf Jahren ihres Bestehens eine Reihe an Empfehlungen veröffentlicht, so zum Moscheebau und islamischen Religionsunterricht. Auf dieser Grundlage wurden seit 2010 erstmals universitäre Zentren für islamische Theologie eingerichtet. Die Verbindlichkeit dieser Beschlüsse steht aber in einem gewissen Widerspruch zur Masse an Papier. Vieles ist sehr vage geblieben. „Der Dialog ist in seiner bisherigen Form gescheitert“, sagte Ali Ertan Toprak von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände unserer Zeitung. Er kritisierte die Dominanz konservativer Islamverbände. Sie hätten den Interessen der Muslime „sehr geschadet“. In den vergangenen Jahren habe sich die Islamkonferenz „in der Bedeutungslosigkeit aufgelöst“, kritisierte der Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic, Integrationsbeauftragter der SPD-Fraktion. Seine Grünen-Kollegin Filiz Polat bemängelt, der Dialog sei „in wesentlichen Fragen auf dem Holzweg gelandet“. Wer redet mit? Beim Auftakt zu der Konferenz waren von staatlicher Seite 15 Vertreter aus Bund, Ländern und Kommunen mit dabei, zudem je ein Vertreter der Alevitischen Gemeinde Deutschland, der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), des Islamrats, des Zentralrats der Muslime und des Verbands Islamischer Kulturzentren sowie zehn Persönlichkeiten mit muslimischem Hintergrund, darunter auch Islamkritiker. Die konservativen Verbandsfunktionäre haben liberale Glaubensgenossen nach und nach vergrault. Horst Seehofer will nun wieder vermehrt solche liberalen Köpfe an dem Dialog beteiligen. Feste Mitglieder soll es nicht mehr geben. Seehofer und sein Staatssekretär Markus Kerber (CDU) planen vielmehr eine flexible, an den jeweiligen Themen orientierte Gästeliste. Mit am Tisch sitzen an diesem Mittwoch neben den vier Dachverbänden (Ditib, Zentralrat, Verband der islamischen Kulturzentren, Milli Görüs) unter anderen die türkischstämmige Staatssekretärin für Integration aus Nordrhein-Westfalen, Serap Güler (CDU), sowie Bülent Ucar, Leiter des Zentrums für islamische Theologie der Universität Osnabrück, die Frauenrechtlerin Seyran Ates und der Psychologe Ahmad Mansour. Ates und Mansour gehören zu den Unterzeichnern einer „Initiative säkularer Islam“. Ihr Bekenntnis lautet: „Wir lehnen ein totalitäres Religionsverständnis ab.“ Seehofer ist nach eigenem Bekunden daran gelegen, ein möglichst „breites Spektrum der muslimischen Zivilgesellschaft“ zu Wort kommen zu lassen. Als Gäste werden auch Vertreter der christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft dabei sein. Worum soll es jetzt gehen? Die Auftaktveranstaltung zur vierten Runde der Islamkonferenz beginnt um 11.30 Uhr mit einer Grundsatzrede des Innenministers. Anschließend diskutiert Seehofer mit Ucar und Güler über die Frage, wie „Engagement für ein gelingendes Miteinander“ aussehen kann. Ein Schwerpunktthema soll die Finanzierung von Moscheebauten sein. Die muslimischen Gemeinden müssten „die Finanzierung selbst in die Hand nehmen“, fordert Seehofer in der „FAZ“. Staatssekretär Kerber hat sich das Ziel gesetzt, „dass die Moscheen in Deutschland nicht mehr von Finanzhilfen aus dem Ausland abhängig sind“. Das zweite Schwerpunktthema fasst der Minister unter dem Stichwort „alltagspraktische Fragen“ zusammen. Es gehe dabei um die Frage: „Wie lassen sich der muslimische Glaube und die mit ihm verknüpften Überzeugungen und Bräuche mit der in Deutschland gewachsenen Kultur und den Werten unserer Gesellschaft besser in Einklang bringen?“ Seehofer will auch „die religiöse und gesellschaftliche Teilhabe der muslimischen Bevölkerung verbessern“. Zudem will er sich einem lang gehegten Wunsch der muslimischen Verbände wenigstens „annähern“, nämlich der Anerkennung als Religionsgemeinschaften. Bisher sind sämtliche Anträge dazu gescheitert, da keiner der Verbände die islamische Gesellschaft in ihrer Vielfalt abbildet. Die Verbände repräsentieren nur etwa 25 bis 30 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime.