Der Nestlé-Konzern will die Produktion nach Portugal verlagern. Die 107 Mitarbeiter wollen für ihren Standort kämpfen.

Ludwigsburg - Eigentlich haben sie keine Chance mehr. Der Nestlé-Konzern will das traditionsreiche Röstkaffee-Werk mit noch 107 Beschäftigten zum Jahresende schließen. Doch Uwe Hildebrandt, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG), sagt: „Wir werden alles tun, damit es nicht dazu kommt.“ So soll ein Rechtsgutachten klären, ob der Lebensmittelkonzern den aus Sicht der Mitarbeiter profitablen Standort überhaupt dicht machen darf.

 

Der Nestlé-Sprecher Alexander Antonoff betont: „Unser Entschluss steht fest.“ Man komme den Ludwigsburger Mitarbeitern aber bei den laufenden Verhandlungen für einen Tarifvertrag der Nestlé-Standorte in Baden-Württemberg entgegen: Einschnitte bei Lohnerhöhung, Wochenarbeitszeit oder Sonderzahlungen soll es nur für das Werk in Singen geben.

Die Gewerkschaft kündigt einen „heißen Herbst“ an

Für die Beschäftigten in Ludwigsburg ist das ein schwacher Trost. „Wir haben 2000 Urlaubstage und 12 000 Überstunden angehäuft“, sagt ein Mitarbeiter. Zudem habe man viele Einsparungen mitgetragen. Eine Zahl, die von Nestlé-Chefin Béatrice Guillaume-Grabisch genannt werde, sei falsch: „Wir produzieren nicht nur 917 Tonnen Röstkaffee im Jahr, sondern 5400.“ Systematisch werde das Werk schlecht geredet, so der oft erhobene Vorwurf. Und die Gewerkschaft NGG kündigt einen „heißen Herbst“ an. Die Geschäftsführung müsse Zahlen auf den Tisch legen um die Schließung zu begründen.

Aber wie sieht es in der Belegschaft aus? Viele Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten im Betrieb und reden offen über ihre Lage. „Caro ist wie eine Familie für mich“, sagt ein 55-Jähriger. „Manche Kollegen haben geweint, als sie die Nachricht erfahren haben.“ Zwischen Wut, Verständnislosigkeit und Verzweiflung schwanken die Emotionen, der Betriebsrat musste in einigen Fällen sogar seelsorgerisch tätig werden.

Die Schicksale hinter den Zahlen machen nachdenklich. „Ich bin seit 30 Jahren dabei“, erzählt ein Angestellter, der das Caro-Logo auf der Brust trägt. Damals wurden Angestellte gesucht, er sei zur Pforte rein und habe sofort einen Vertrag bekommen: „Ich habe noch nie im Leben eine Bewerbung geschrieben.“ Ein einziger Kollege habe bislang einen anderen Job, ein weiterer etwas in Aussicht. „Die wenigen Jungen können flexibel sein, aber ich muss bei Null anfangen“, sagt ein 60-Jähriger. „Wer nimmt mich noch? Wie soll ich mein Haus abbezahlen?“

Andere haben Familie, müssen Kredite tilgen oder sind alleinerziehend. Das Gros der Angestellten ist über 50. „Wir haben unser Herzblut für Caro gegeben“, sagt eine Mitarbeiterin, „die Identifikation ist hoch.“ Der Zusammenhalt ist so eng, dass sich viele Kollegen sogar privat treffen. Der Konzernleitung werfen sie vor, das Produkt systematisch auslaufen zu lassen: „Der letzte Werbespot wurde 1996 gesendet.“

Am Werkstor kleben weiß-blaue Aufkleber mit einem Bild von Zitronen. „Nicht mit uns“, heißt es dort, „Zitronen für die Beschäftigten, 18,5 Prozent für die Shareholder?“ Es ist der Kern der Argumentation von Gewerkschaft und Betriebsrat: Das Werk werde nur geschlossen, weil eine Umsatzrendite von 18,5 Prozent erzielt werden soll. „Das ist ein Milliardenkonzern, da zählen wir nichts“, sagt ein Mitarbeiter.

Gewerkschaft hofft auf Rechtsgutachten

Was die Belegschaft zudem erzürnt: Der angeblich lange vorbereitete Verkauf des Grundstücks an die Stadt oder einen Investor. „Das war alles geplant“, heißt es in Mitarbeiterkreisen. „Das Areal ist nicht nur ein Filetstück, das ist ein Angus-Steak.“ Den Erlös habe Nestlé schon eingeplant.

Trotz aller Kampfbereitschaft ist auch Resignation zu spüren. Zu dürr ist die Hoffnung auf den rechtlichen Weg. Der Gewerkschafts-Landeschef Uwe Hildebrandt räumt ein: „Es ist schwierig, eine Standortschließung juristisch zu verhindern, wenn ein Konzern sie partout will.“ Vielleicht bleibe aber noch die Chance, das Ende hinauszuzögern. Das gäbe vielen Angestellten die Möglichkeit, noch bis zum Vorruhestand weiterzuarbeiten.

Aufgeben will man jedenfalls nicht. Der Gewerkschafter Hildebrandt gibt sich entschlossen: „Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen.“