Die Staatsoper in Hannover beendet mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit mit ihrem Ballettdirektor Marco Goecke. Sein Ensemble und sein Werk dürfen bleiben.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Es war schon vor der Pressekonferenz in Hannover klar: Ein Ballettdirektor, der eine Journalistin mit Hundekot beschmiert, ist nicht tragbar – nicht in der niedersächsischen Landeshauptstadt, und auch nicht im kleinsten Stadttheater.

 

Vielleicht hätte der von Theatermann Leander Haußmann geäußerte Ratschlag Marco Goeckes Zukunft in Hannover noch retten können: Auf die Knie und um Vergeltung bitten!, lautete er. Eine Entschuldigung bei der betroffenen Kritikerin war damit in erster Linie gemeint, aber auch eine bei der Theaterwelt, auf die Goeckes Übergriff ein schlechtes Licht geworfen habe.

Hüsters Reaktion war eindeutig

Ein Kniefall war die späte Entschuldigung des suspendierten Ballettdirektors aber nicht. Dazu hätte er sein aufrichtiges Bedauern über die „schändliche Handlung im Affekt“ nicht durch erneute Vorwürfe relativieren dürfen. Wiebke Hüsters schockierte Reaktion in einem Fernsehinterview und ihre Ankündigung, die Staatsoper in Hannover beim Beharren auf Goecke nicht wieder zu betreten, haben die Theaterleitung in der Trennung von ihrem Ballettdirektor sicherlich bestärkt.

Dass ihr dieser Schritt nicht leichtgefallen ist, macht das Statement von Goeckes Intendantin Laura Berman klar. Trotz des drastischen Tons vieler Medien fand sich durch ihre Vermittlung in Hannover eine überaus kluge Lösung, die Marco Goeckes Ensemble vorerst schützt und seinem Werk mit Respekt begegnet. Denn dass Marco Goecke die Attacke vorsätzlich geplant hat, wie Wiebke Hüster vermutet, scheint fragwürdig. Als hellwacher Geist, als den ihn seine nervöse Tanzsprache auszeichnet, hätte er deren Folgen sehen müssen: Seine psychisch zum Glück unversehrt auftretende Kritikerin ist gewohnt eloquent und souverän auf neuen Kanälen präsent, er steht als der Hundekotkünstler vor einem Scherbenhaufen.

Als der Hundekotkünstler steht Goecke vor einem Scherbenhaufen

Auf diesen blicken auch Goeckes Partner in Stuttgart. Eric Gauthier hatte dem Choreografen, als ihm das Stuttgarter Ballett den Vertrag nicht verlängert hatte, die Hand gereicht und ihn zum Artist in Residence der Theaterhaus-Kompanie gemacht. Dass Gauthier jetzt ein Gespräch mit Goecke vor weiteren Entscheidungen abwarten will, steht für die Besonnenheit, an der es bei der Hundekotattacke ja gerade mangelte.

Mehr Respekt, bitte!

Auf der auch im Kulturbetrieb nach oben offenen Erregtheitsskala hat Goeckes Attacke für extreme Ausschläge gesorgt. In der Aufgeregtheit zu kurz kommt das Nachdenken über das sich wandelnde Verhältnis von Kunst und Kritik. Momentan bleiben nur zwei winzige Lichtblicke. Goeckes Kunst ist so stark, dass sie am Fehlverhalten ihres Urhebers keinen Schaden nehmen wird. Und dann ist da noch die Hoffnung, die eine Leserin so formulierte: „Vielleicht entsteht aus dem ganzen Eklat aber auch die Chance zu einem zukünftig respektvolleren Umgang. Ich würde es mir so sehr wünschen.“