Jahrelang hat der Karlsruher Energiekonzern an seinen Plänen für ein riesiges Pumpspeicherwerk im Südschwarzwald festgehalten. Neun Monate nach der öffentlichen Anhörung gibt das Unternehmen das Milliardenprojekt nun auf. Ist das schlecht für die Energiewende?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Bad Säckingen - Es sollte das größte Pumpspeicherwerk (PSW) in Deutschland und ein wichtiger Beitrag zur Energiewende werden. Jetzt wird das Projekt mit Namen Atdorf zur Bezeichnung einer der größten Fehlinvestitionen in der jüngeren Geschichte des Energieversorgers EnBW. Nach neunjähriger Planungszeit hat das Karlsruher Unternehmen am Mittwoch bekanntgegeben, dass es das Projekt im Südschwarzwald bei Bad Säckingen (Kreis Waldshut) nicht weiter verfolge. Planungskosten von 80 Millionen Euro müssen voraussichtlich abgeschrieben werden.

 

Grafik: jev
Die Entscheidung des Vorstands beruhe auf einer kritischen Würdigung des dreiwöchigen Erörterungstermins, der im Januar in Wehr stattgefunden hatte, hieß es. Dabei hatten Grundstückseigentümer, Umweltschützer, aber auch die Anrainerkommunen schwere Bedenken vorgetragen. Die Anhörung habe zwar aus Sicht der EnBW keine Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit des Projekts geweckt. Jedoch habe sich gezeigt, dass noch kosten- und zeitintensive Nacharbeiten geleistet werden müssten. Dabei sei völlig ungewiss, wann tatsächlich mit dem Bau begonnen werden könne.

RWE zieht sich schon 2014 zurück

Unter anderem hatte der geologische Gutachter gefordert, nicht nur das Oberbecken auf dem 1018 Meter hohen Abhau, sondern auch das 600 Meter tiefer gelegene Unterbecken bei Bad Säckingen komplett abzudichten. Dies sei notwendig, um die Mineralquellen der Bäderstadt zu sichern. Zudem stieß das Flächenausgleichskonzept mit 1500 betroffenen Grundstückseigentümern auf Widerstände. Insgesamt hatte das Unternehmen über seine Tochter Schluchseewerk 1,4 Milliarden Euro investieren wollen. Der zweite Schluchseewerk-Anteilseigner RWE war bereits vor drei Jahren ausgestiegen.

Der Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) bedauerte die Entscheidung und betonte die Bedeutung von Speichern für den Erfolg der Energiewende. Überrascht sei er jedoch nicht. „Die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Investitionen in Pumpspeicherkraftwerke sind seit Jahren schwierig“, sagte Untersteller. So laufen die Pumpspeicher zwar auf Hochtouren – erst im Juni meldete das Schluchseewerk nach einem heißen Sommertag einen Speicherrekord. Doch lässt sich wegen des Preisverfalls an der Strombörse damit kaum noch Geld verdienen. Wie die Lage nach 2030 sein werde, wenn das PSW seinen Betrieb aufgenommen hätte, ist ungewiss. „Wir haben keine Glaskugel“, sagte Peter Steinbeck vom Schluchseewerk.

Großprojekte ohne Chance?

Der Waldshuter Vizelandrat Jörg Gantzer, der das Genehmigungsverfahren verantwortete, erklärte, aus seiner Sicht sei der Ausstieg „keine glückliche Entscheidung“. Es habe etliche interessante Rechtsfragen gegeben, „die es verdient hätten, geklärt zu werden“. So blieb offen, inwieweit für ein solches privatwirtschaftliches Projekt Enteignungen möglich gewesen wären. Sie hätten sogar eine Kommune treffen können. Der Gemeinderat von Herrischried hatte beschlossen, nicht einen Quadratmeter gemeindeeigener Fläche für das Vorhaben herauszurücken.

Nach Gantzers Schätzung hätte die EnBW bis zum Ende des Verfahrens noch einmal 15 bis 20 Millionen Euro an Planungskosten investieren müssen. Dies wolle man sich offenbar sparen. Doch zeige der Fall, dass es in Deutschland kaum mehr möglich sei, Großprojekte durchzusetzen. Jetzt wird Gantzer keinen Genehmigungs-, sondern nur einen Gebührenbescheid erstellen. Auch der werde millionenschwer. 30 000 Behördenstunden seien angefallen.

BUND: Pumpspeicher sind alte Technik

Freude herrschte bei der Bürgerinitiative Atdorf. „Wir sind keine Wutbürger. Wir haben sachlich unsere Argumente vorgetragen“, sagte der BI-Sprecher Klaus Stöcklin. Dies habe gefruchtet. Die Planer hätten letztlich keine Antworten auf die vielen Probleme mehr gefunden: 1111 Quellen im gesamten Hotzenwald, wie der Schwarzwald oberhalb von Bad Säckingen heißt, wären betroffen gewesen und teilweise versiegt. Für Herrischried und Rickenbach hätte eine Ersatzwasserversorgung installiert werden müssen. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten wären in Gefahr geraten.

Auch für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) stand der Eingriff in Natur und Landschaft in keinem vernünftigen Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen. Ein PSW sei Teil der alten Energiewelt. Den Anforderungen der Zukunft mit erneuerbaren Energien werde es nicht gerecht, sagte die Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch. „Wir brauchen keine weiteren Kurzzeitstromspeicher.“ Nötig seien Energiespeicher, die mehrere sonnen- und windarme Tage überbrücken könnten. Die EnBW kündigte an, ihr Engagement für den Bau einer Lithium-Ionen-Speichers mit Bosch in Heilbronn auszubauen.

Batterie für drei Millionen Haushalte

Bei Pumpspeicherwerken wird das Wasser in stromreichen Zeiten hochgepumpt. Wenn die Nachfrage höher ist als das Produktion, wird das Wasser wieder durch Turbinen abgelassen. Der entstehende Strom wird ins Netz eingespeist. Früher wurde auf diese Weise mit billigem Nachtstrom die Mittagsspitze ausgeglichen. In Zukunft soll damit auch die Schwankungen bei der Stromerzeugung durch Wind und Sonne ausgeglichen werden.

1400 Megawatt Strom, so viel wie das Atomkraftwerk Neckarwestheim, hätte das neue Atdorfer Pumpspeicherwerk produzieren sollen. Neun Stunden lang hätten damit drei Millionen Haushalte versorgt werden können. Dann wäre der künstliche See auf 1000 Metern Höhe und mit einer Fläche in der Größe von 150 Fußballfeldern abgelassen gewesen. 600 Meter tiefer sollte es wieder im Haselbecken bei Bad Säckingen gesammelt werden. Dort wäre eine Staumauer, höher als die Säckinger Münstertürme, nötig gewesen.