Das Stuttgarter Kammerorchester hat sich eine Miniprogramm für den Schulhof ersonnen, das coronakonform ist. Kinder der Wilhelm-Hauff-Schule bekommen es als erste zu sehen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd/S-West - Das Stuttgarter Kammerorchester will ausgehungerte Kinder füttern – nicht mit Keksen, sondern mit Musik. „Kultur, Musik, das hat jetzt einfach so lange gefehlt“, sagt Katharina Gerhard, zuständig für die Musikvermittlung des Orchesters. Mit der Wilhelm-Hauff-Schule im Stuttgarter Süden wollen die Musiker beginnen. Die Grundschule ist nur ein paar Minuten Fußweg von der Bachakademie entfernt, wo das Orchester residiert, und man ist sowieso schon verbandelt: „Die Schüler haben uns öfter schon bei Proben besucht“, sagt Katharina Gerhard. „Das war während der Pandemie ja nicht mehr möglich.“

 

Inspiriert von der Commedia dell’arte

Zusammen mit vier Musikerinnen des Kammerorchesters hat Katharina Gerhard überlegt, wie man zu den Kindern eine Brücke schlagen könnte, die konform ist mit sämtlichen Coronavorschriften. Herausgekommen ist das Koffermusiktheater, eine kleine Formation, bestehend aus einem Streichquartett, einem Schauspieler und einem Koffer voller Requisiten. Der Schulhof ist die Freiluftbühne. Die Rahmenhandlung erzählt von einem Quacksalber, der alles kurieren kann. „Inspiriert von der Commedia dell’arte schlüpft der Schauspieler und Tänzer Luis Hergón mit Hilfe eines Koffers voller kunstvoll gefertigter Masken in die unterschiedlichsten Rollen“, berichtet Katharina Gerhard. „Er hat für jedes Gebrechen die passende Musik-Medizin parat, die das Streichquartett sodann zum Besten gibt. Und so erleben die Schulkinder eine bunte Mischung der Streichquartettliteratur.“ Nebenbei lernten sie Musikinstrumente – Violine, Viola und Violoncello – und die Musiker des Stuttgarter Kammerorchesters kennen.

Kürzlich hat Katharina Gerhard diese Idee im Bezirksbeirat Süd präsentiert, um für die finanzielle Unterstützung des Koffermusiktheaters zu werben. Die Idee gefiel, und 2600 Euro, mit denen die Gagen und Produktionskosten bezahlt werden sollen, wurden bewilligt. Wenn keine unvorhergesehenen Dinge geschehen, will man sofort loslegen. Es solle, so Gerhard, mehrere Durchläufe des gut 30 Minuten dauernden Stückes geben. Langfristig sei daran gedacht, mit der Produktion auch in andere Schulen zu gehen. Die Immenhoferschule ist bereits von sich aus aufs Kammerorchester zugegangen. „Die wollen auch“, sagt Katharina Gerhard.

Wird die Musik allerdings in anderen Stadtbezirken gespielt, so muss die Leiterin der Kinder- und Jugendarbeit des Orchesters in den dortigen Bezirksbeiratssitzungen vorsprechen. Aber es müssten ja nicht immer nur Schulen sein, sie könne sich beispielsweise auch einen Auftritt im Mehrgenerationenhaus Heslach vorstellen. „Das Schöne ist, dass das Koffermusiktheater so kompakt und flexibel ist, dass man damit auch spontan und ohne großen Aufwand auftreten kann.“

Musik will vermittelt werden

SKOhr-Labor heißt das Vermittlungsprogramm des Stuttgarter Kammerorchester, das sich mit kreativen Projekten an Menschen aller Altersgruppen richtet. „Der Ansatz des SKOhr-Labors ist es, in erster Linie Teilnehmenden aus allen gesellschaftlichen Schichten eine Plattform zum Hören zu geben. Hören klassischer Musik, Hören in die Welt der Klänge, des eigenen Körpers, der Farben, der Gegenstände, um dann selbst gestalterisch einzugreifen, sei es durch eigene Klangkreationen, durch Bewegung, Sprache, Medien oder bildende Kunst und Figurenspiel, erklärt Katharina Gerhard. Auf den internationalen Tourneen des Orchesters gehe es oft auch in sehr kurzer Zeit darum, mit den Menschen vor Ort und deren eigener Musik in Austausch zu kommen, gemeinsam improvisatorisch Neues zu gestalten und mit den „mitgebrachten“ Werken in Beziehung zu setzen, so Gerhard. „Diesen Austausch auch medial fortzusetzen ist eine der Corona-Folgen.“