Regierung, Autobauer und Gewerkschaften sind sich sicher, dass sich Elektroautos durchsetzen - die Regierung schafft Anreize.

Stuttgart - Der Gewerkschafter ist guter Dinge. "Ich bin sehr zufrieden", sagte der IG-Metall-Chef Berthold Huber nach einem Spitzengespräch im Kanzleramt. Auf der Sitzung der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) verständigten sich Industrie, Gewerkschaften und Regierung auf Schritte zum Aufbau der neuen Antriebstechnik. Der Gewerkschafter hob hervor, dass die Autobauer zugesagt hätten, die Batterien für die Fahrzeuge in Deutschland herzustellen. "Die Speichertechnologie kehrt zurück nach Deutschland", sagte Huber. Er hält es für möglich, dass bis 2020 rund 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

 

Doch das ist Zukunftsmusik. Die Pläne für den Ausbau der Elektromobilität sind auf lange Zeit angelegt. Während es heute nur einige Tausend elektrisch betriebene Fahrzeuge in Deutschland gibt, sollen es 2014 rund 100.000 Wagen sein. Zum Massenprodukt werde diese Antriebstechnik erst 2018. Die Industrie verständigte sich mit Kanzlerin Angela Merkel auf eine Zielmarke im Jahr 2020: Dann sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen rollen. Bis 2030 sollen es nach den gemeinsamen Plänen sogar schon sechs Millionen Fahrzeuge sein. Deutschland müsse ein führender Anbieter von Elektroautos werden, sagte die Kanzlerin. Sie räumte aber ein, dass dies nicht einfach werde. Schließlich sind Autohersteller in anderen Ländern schon weiter.

Ein Bündel indirekter Hilfen

Die Regierung sieht dennoch keinen Anlass, den Aufbau der neuen Antriebstechnik mit massiven staatlichen Mitteln zu forcieren. Ein Bündel indirekter Hilfen soll den Absatz ankurbeln. Die Politik kommt der Industrie bei der Forschung entgegen. Die Forschungsausgaben für die Entwicklung der Batterietechnik und den Leichtbau sollen verdoppelt werden, kündigte Merkel an. Die Große Koalition hatte 2009 beschlossen, bis zum Jahr 2011 insgesamt 500 Millionen Euro in die Forschung der Elektromobilität zu investieren. Nun wird draufgesattelt: Für 2012 und 2013 schießt der Staat insgesamt eine Milliarde Euro zu. Den Löwenanteil bringt aber die Industrie auf: In den kommenden vier Jahren investieren Hersteller und Zulieferer 17 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Die Zusagen stellen Henning Kagermann, den Vorsitzenden der Nationalen Plattform Elektromobilität, zufrieden: "Die Elektromobilität wird sich durchsetzen."

Die Regierung will ihren Teil dazu beitragen. Bereits auf der morgigen Kabinettssitzung sollen steuerliche und sonstige Anreize beschlossen werden. Die Regierung will vor allem den Kauf von Elektrodienstwagen attraktiver machen. Nach der Rechnung der Industrie seien Elektroautos im Vergleich zu herkömmlichen Modellen um bis zu 9000 Euro teurer. Damit erhöht sich auch der Steueranteil für Dienstwagennutzer: Die meisten Fahrer eines Firmenfahrzeugs wählen bei der Steuer eine Variante, wonach sie monatlich einen Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Folge: bei Elektroautos wäre der Steueranteil höher als bei Wagen mit anderer Antriebstechnik. Die Regierung will aus diesem Grund steuerlich elektrisch betriebenen Autos den herkömmlichen Modellen gleichstellen. Auf den Wunsch der Industrie, dass der Staat auch den Unternehmen bei der Anschaffung von elektrischen Firmenfahrzeugen Vergünstigungen bieten soll, ging die Regierung nicht ein.

Vorteile bei der Kfz-Steuer

Entgegenkommen signalisiert die Koalition bei der Kfz-Steuer. Alle bis 2015 angemeldeten Elektrofahrzeuge sollen für zehn Jahre von der Kfz-Steuer ausgenommen werden. Bislang beträgt die Befreiung fünf Jahre. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte außerdem zu, Sonderrechte im Verkehr zu prüfen. Ramsauer will Busspuren und Sonderparkzonen für Elektroautos öffnen. Allerdings betonte er, diese Pläne erst noch mit den Ländern besprechen zu müssen.

Der Bund verspricht der Industrie außerdem, in stärkerem Maß Elektroautos für den eigenen Fuhrpark zu erwerben. Von 2013 an sollen ein Zehntel der Neuanschaffungen auf Elektroautos entfallen. Dieses Versprechen gilt für den Bund. Die Autoindustrie hofft, dass es auch auf Länder und Kommunen sowie Unternehmen in Bundesbesitz ausgeweitet wird.

Einig sind sich Regierung und Verbände, dass die Zusammenarbeit in der Nationalen Plattform Elektromobilität fortgesetzt werden soll. Einmal im Jahr soll das Forum über die Fortschritte berichten. "Wir machen Jahr für Jahr einen Check und sehen, wie wir vorankommen", kündigte Merkel an. Dem Vernehmen nach soll der frühere SAP-Chef Henning Kagermann Vorsitzender bleiben.

Hintergrund: Elektroautos

Hybridantrieb Ein kleiner Elektromotor treibt den Wagen über kurze Strecken an, lange Fahrten übernimmt der kräftige Benzinmotor. Die Batterie wird über wiedergewonnene Bremsenergie geladen.

Mild-Hybrid Bei diesem Antrieb ist der elektrische Zusatzmotor schwach ausgelegt und kann das Auto nicht alleine anschieben. Auch hier lädt Bremsenergie die Batterien und spart so Benzin. Bei Mild-Hybriden ist meist der Starter gleichzeitig der Generator.

Plug-in Ein Elektroauto das einen Stecker hat und über das Stromnetz geladen werden kann. Bisher hat sich die Autoindustrie nicht auf einen einheitlichen Standard zum Stecker geeinigt.

Range Extender Hybridautos, bei denen der Elektroantrieb an erster Stelle steht, aber zur Sicherheit ein kleiner Benzinmotor mit an Bord ist. Der Benzinmotor verlängert die Reichweite. Der Benzinmotor treibt nicht direkt die Räder an, sondern lädt falls nötig die Batterie.

Lithium-Ionen-Technik Das chemische Element Lithium macht den geplanten Sprung in das Zeitalter der Elektroautos erst möglich. Lithium-Ionen-Batterien können deutlich mehr Energie speichern als klassische Bleiakkumulatoren.

Brennstoffzelle Hier entsteht Elektrizität durch die Verbindung von Wasserstoff und Luftsauerstoff. Brennstoffzellen brauchen jedoch Wasserstoff- Tankstellen, von denen es in Deutschland bis jetzt nur wenige gibt.