Keine Praktika, keine Messen, wenig Berufsorientierung – Schulabsolventen tun sich in Zeiten der Pandemie schwer, den Traumberuf zu finden. Auf den Erfolg der Ausbildung scheint sich dies kaum auszuwirken. Und doch klagen Firmen.

Fehlende Berufsorientierung, keine Praktika, keine Messen – die Coronapandemie hat Schulabsolventen in den vergangenen Jahren vor hohe Hürden gestellt. Wie findet man den Traumberuf, wenn wichtige Informationsquellen nicht zur Verfügung stehen? Führt dies zu mehr Ausbildungsabbrüchen und schlechteren Noten? Wir haben nachgefragt.

 

Wie ist die Lage am Ausbildungsmarkt?

Wer aktuell einen Ausbildungsplatz sucht, hat gute Chancen. „In allen Berufen und in allen Regionen im Land gibt es noch offene Stellen“, sagte Christian Rauch, Chef der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg, vor Kurzem.

Die Unternehmen suchen händeringend Nachwuchs. Allerdings sind sie offensichtlich wählerisch. Beispiel Maschinenbau: Nicht nur der demografisch bedingte Rückgang der Schülerzahlen sowie die unzureichende Berufsorientierung seien Gründe für unbesetzte Stellen, sondern auch mangelnde mathematische und technische Kompetenzen der jungen Leuten, sagte Jörg Friedrich, Leiter Bildung beim Branchenverband VDMA. „Etwa jeder dritte Personalverantwortliche klagt darüber, dass die Qualität der Bewerber zurückgeht“, fügt er hinzu.

Er steht mit dieser Aussage nicht alleine da. Auch die Handwerksbetriebe im Südwesten berichten, dass die Mint-Kenntnisse in den vergangenen Jahren schlechter geworden seien. Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Wie wirkt sich die Pandemie aus?

Während der Pandemie waren Schulen zeitweise geschlossen, Homeschooling war angesagt. Laut einer Befragung der Lehrkräfte hat dies bei einem Drittel der Schülerinnen und Schülern zu Lernrückständen geführt, steht im jüngsten Mint-Frühjahrsreport, den das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlicht. Es gebe kein einheitliches Bild, in welchem Umfang die Kompetenzen gesunken seien. Beim Baden-Württembergischen Handwerkstag hat man keine Hinweise, dass sich die Mint-Kenntnisse junger Leute infolge der Pandemie weiter verschlechtert hätten.

Werden mehr Verträge vorzeitig aufgelöst?

Im vergangenen Jahr haben 5967 junge Menschen ihren Lehrvertrag vorzeitig gelöst, hat der Handwerkstag errechnet. Das waren 5,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor, aber deutlich weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019 (6566). Rund ein Drittel der Vertragsauflösungen fand in der Probezeit statt; knapp 40 Prozent im Laufe des ersten Ausbildungsjahres. Auffallend: Die Auflösungsquote in Elektro- und Metallberufen ist niedrig. Im Friseurberuf wurde 2021 knapp jeder zweite Vertrag (45 Prozent) gelöst, bei den Gebäudereinigern waren es sogar 56 Prozent.

Bei der Industrie- und Handelskammern (IHK) in der Region Stuttgart gebe es keine Auffälligkeiten, hieß es. Zum Stichtag Ende Juli 2022 wurden 841 Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst (plus 34 Prozent). Auch hier ist zu sehen: Im Vor-Corona-Jahr 2019 wurden mit 917 mehr Verträge vorzeitig gelöst. Viele Auflösungen gab es bei angehenden Fachkräften der Systemgastronomie, bei Fitness- sowie Immobilienkaufleuten.

Beide Kammern weisen darauf hin, dass eine vorzeitige Vertragslösung nicht unbedingt einen Ausbildungsabbruch bedeute. Viele junge Leute wechselten den Betrieb oder Beruf – und setzten ihre Ausbildung fort. Wie viele die Ausbildung komplett abbrechen, erfassen die Kammern nicht. Diese Zahl kennt das Deutsche Institut für Altersvorsorge: Demnach brechen 15 Prozent die betriebliche Ausbildung ab und bleiben dauerhaft ohne Abschluss. Einen Zusammenhang mit Corona stellt das Institut nicht her.

Wie verliefen die Prüfungen?

Die Prüfungsergebnisse seien tendenziell stabil geblieben, sagte eine IHK-Sprecherin. „Wir stellen bisher keine signifikanten negativen Veränderungen der Prüfungsleistungen fest“, sagte die Sprecherin des Handwerkstags. IHK-Präsidentin Marjoke Breuning: „Die zwei zurückliegenden Coronajahre haben in der Ausbildung Spuren hinterlassen, aber für die Azubis gab es bei Qualität und Abschlüssen keine Nachteile oder Verschlechterungen.“ Häufig sei die Betreuung der Auszubildenden durch die Betriebe sogar noch intensiver und kreativer gewesen, fügt sie hinzu.

„In der beruflichen Ausbildung konnten die Schulen keine größeren Defizite feststellen, jedoch fehlte in einigen Dienstleistungsberufen praktische berufliche Routine“, heißt es beim Berufsschullehrerverband in Baden-Württemberg. Das habe an den Phasen der Lockdowns gelegen. In der Pflegeausbildung sei es wegen den physischen und psychischen Belastungen aber zu Ausbildungsabbrüchen gekommen. Die Prüfungsnoten haben sich nur wenig verschlechtert, so der Berufsschullehrerverband. Ausnahme: Sprachanfänger hätten schlechter abgeschnitten – was wohl am Lockdown liegt.

Allerdings hätten Azubis und Meisterschüler teilweise durchaus Bedarf an psychologischer Beratung und Unterstützung, hießt es beim Handwerkstag. Studierende im Südwesten bekämen eine Unterstützung – Wissenschaftsministerin Theresia Bauer stellt knapp eine Million Euro zur Verfügung. Auch das Handwerk mahnt im Sinne der Gleichbehandlung Hilfen an. Dies sieht das zuständige Wirtschaftsministerium nicht. Viele Auszubildende hätten auch während Phasen der Schulschließungen im Betrieb weiter soziale Kontakte gepflegt und Unterstützung erhalten, sagt ein Ministeriumssprecher.

Was sagen Forscher?

Die Berufsausbildung habe sich in der Krise bewährt, sagen die Experten vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). 2020 – also dem ersten Coronajahr – sei es weder zu einem Anstieg der vorzeitigen Vertragslösungsquote noch zu einem Absinken der Erfolgsquote bei den Abschlussprüfungen gekommen. Auch der Anteil der erfolgreich bestandenen Abschlussprüfungen an allen Prüfungsteilnehmern sei stabil geblieben.