Ein neues Projekt der Handwerkskammer Region Stuttgart feierte in der Unterkunft an der Schwieberdinger Straße seine Premiere. Freie Ausbildungsplätze sollen öfter von Geflüchteten besetzt werden.

Stuttgart-Zuffenhausen - Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs. Hunderte Lehrstellen in der Region Stuttgart können nicht besetzt werden. Nimmt man die freien Plätze in Handel und Industrie dazu, „fehlen in der Landeshauptstadt insgesamt rund 1700 Auszubildende“, sagte Martina Wille von der Agentur für Arbeit Ende August gegenüber unserer Zeitung.

 

Die Handwerkskammer Region Stuttgart mit Sitz an der Heilbronner Straße hat nun eine Idee in die Tat umgesetzt, wie die Lehrlingskrise behoben werden kann. „Roadshow: Integration im Handwerk“ heißt das neue Projekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Ziel ist, das große Potenzial bei den Geflüchteten zu nutzen. „Zehn Prozent der Ausbildungsverträge sind dieses Jahr mit Flüchtlingen geschlossen worden. Da ist Luft nach oben. Viele Betriebe sind noch vorsichtig gegenüber Flüchtlingen“, sagt Sascha Beul, der bei der Handwerkskammer als Willkommenslotse fungiert. „Wir wollen nun direkt in die Unterkünfte gehen und dort informieren – am besten gemeinsam mit den Firmen vor Ort.“ Für die Betriebe sei es zeitlich oft schwierig, Messen zu besuchen, um dort für Auszubildende zu werben. „Deshalb brauchen wir Angebote vor Ort und kurze Wege“, betont Sascha Beul.

Die Premiere der Roadshow fand am Dienstag statt – und zwar an der Schwieberdinger Straße in Zuffenhausen. Dort sorgen die Malteser für die Betreuung in der Flüchtlingsunterkunft. Zu den Kräften an der Schwieberdinger Straße gehört auch die rege Ehrenamtskoordinatorin Ligia Braz, die ihre Kontakte zur Handwerkskammer genutzt hat, um die Roadshow nach Zuffenhausen zu holen – eine wohl einmalige Gelegenheit.

Ab sofort kann die Roadshow gebucht werden

Knapp sechs Stunden waren Beul und seine Mitstreiter vor Ort. „Der Bedarf hier ist riesig. Rund 40 Bewohner waren da und haben sich informiert“, freut sich Ligia Braz. „Es war ein Erfolg. Wir sind sehr zufrieden.“ Das sehen auch die Kollegen der Handwerkskammer so. „Wir haben unter anderem über die Rahmenbedingungen für Ausbildung und Beschäftigung informiert und die vielfältigen Karriereperspektiven im Handwerk erläutert“, sagt Beul. Es habe viele allgemeine Fragen gegeben. „Primär geht es heute um ein erstes Kennenlernen“, sagt Anna Lena Schmidt, die Projektleiterin „Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Flüchtlinge“ bei der Handwerkskammer. „Bei tiefergehenden Fragen bieten wir gerne ein Treffen bei uns an, um auf die individuellen Bedürfnisse eingehen zu können.“ Aber es habe auch Flüchtlinge gegeben, die ein Zertifikat aus ihrem Heimatland dabei hatten. „Es war zum Beispiel jemand da, der Motormechaniker ist“, sagt Ajoke de la Cruz, die bei der Handwerkskammer für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse verantwortlich ist. Man werde nun im weiteren Verlauf sehen, wohin die Reise gehe. „Die Menschen in den Unterkünften brauchen eine Perspektive. Sie bringen teilweise zehn Jahre Berufserfahrung mit und fragen sich jetzt, was sie damit anfangen können“, sagt Beul.

Doch nicht nur die Handwerkskammer bietet zahlreiche Hilfeangebote an. Auch die gemeinnützige AG Joblinge war vor Ort und unterstützte tatkräftig. „Wir bieten eine sechsmonatige Berufsvorbereitung für Flüchtlinge an“, sagt Theo Glöckner von Joblinge. „Jeder Interessierte kann bei uns einen Mentor bekommen, der ihn begleitet.“ Schlüssel zum Erfolg seien die Praktika und davon könne man aufgrund des guten Netzwerkes viele anbieten. „Unsere Vermittlungsquote liegt bei 80 Prozent“, betont Glöckner.

Wie es mit der Roadshow im kommenden Jahr weitergeht, ist noch nicht klar. „Vermutlich kommen wir noch einmal nach Stuttgart. Wir sind aber auch in anderen Landkreisen aktiv“, sagt Beul. „Aber wir können ab jetzt gebucht werden.“

Weitere Infos: www.joblinge.de, www.hwk-stuttgart.de/roadshow