Was bringt das kommende Jahr politisch? Die Franzosen und die Deutschen stimmen über ihr Staatsoberhaupt ab, der globale Kampf gegen Corona geht in eine neue Runde und Donald Trump arbeitet an seinem Comeback – das sind einige der Themen, die 2022 wichtig werden.

Stuttgart - Zum 1. Januar übernimmt Deutschland die Präsidentschaft in der Gruppe der G7-Staaten. Die neue Bundesregierung kann nun zeigen, wo sie außenpolitisch hin will und wie viel Einfluss sie international hat. Daheim werden sich SPD, Grüne und FDP in mehreren Landtagswahlen behaupten müssen. Das neue Jahr wird aber noch viele andere bedeutende politische Entwicklungen bringen. Hier sind sieben der voraussichtlich wichtigsten Themen und Ereignisse:

 

1. Vier Landtage und ein Bundespräsident

Das Superwahljahr ist vorbei, aber auch 2022 steht eine Reihe wichtiger Wahlen an. Nachdem 2021 Bundestag und fünf Landtage neu gewählt wurden, sind im kommenden Jahr Wähler in vier Bundesländern aufgerufen, ihre Parlamente neu zu bestimmen. Dabei geht es auch um 19 der 69 Stimmen im Bundesrat. Die Wahlen sind zudem Prüfsteine für die neue Bundesregierung sowie im Besonderen für die CDU. In drei der vier Bundesländer müssen sich junge CDU-Ministerpräsidenten behaupten. Die SPD könnte nach dem Sieg bei der Bundestagswahl weitere Länderchefs stellen. Die AfD kämpft in allen vier Ländern um ein zweistelliges Ergebnis, die Linke darum, überhaupt in die Landtage zu kommen.

Den Auftakt zu den Landtagswahlen 2022 macht am 27. März das Saarland. Am 8. Mai wählt Schleswig-Holstein. Nur eine Woche später, am 15. Mai, sind die Wähler im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen am Zug. Für NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kommt der Urnengang sehr früh, der CDU-Politiker kam erst im Oktober 2021 ins Amt. Die Wahlkämpfer in Niedersachsen haben noch rund zehn Monate Zeit, auf Touren zu kommen. Hier wird am 9. Oktober gewählt.

Vor den Landtagswahlen geht es um die Wahl des Staatsoberhaupts. Am 13. Februar wählt die Bundesversammlung den neuen Bundespräsidenten. Die Ampel-Parteien haben dort eine Mehrheit. Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier steht für eine zweite Amtsperiode bereit. Seine Chancen auf eine Wiederwahl stehen gut – bislang gibt es keinen weiteren Bewerber für das höchste Staatsamt. Dass das Staatsoberhaupt zwei Amtszeiten absolviert, ist eher die Ausnahme. Mit Theodor Heuss, Heinrich Lübke und Richard von Weizsäcker standen bisher nur drei Bundespräsidenten zehn Jahre an der Spitze des Staates. Horst Köhler trat während der zweiten Amtszeit zurück.

2. Impfen global

Rund 100 Tage nach dem Impfstart in Europa hat zu Beginn des nun zu Ende gehenden Jahres auch in Afrika das Impfen begonnen. Seither geschieht das, was auch in anderen Bereichen zwischen den Kontinenten zu beobachten ist: Die Schere geht mit jedem Tag weiter auseinander. In Europa wird im neuen Jahr vermutlich die vierte Impfung kommen, in Afrika warten Millionen von Menschen immer noch auf ihre erste.

Das ist bei einem Virus, das überall mutieren und sich dann überall hin bewegen kann, keine gute Prognose. Europa ist in der Verantwortung, mehr Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Massive Defizite der Infrastruktur müssen in Afrika aber selbst behoben werden.

3. Präsidenten-Wahl in Frankreich

Mit einigem Bangen erwarten die EU-Freunde in Europa den Ausgang der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Neben dem amtierenden Staatschef Emmanuel Macron und der Republikanerkandidatin Valérie Pécresse liegen zurzeit zwei Europaskeptiker in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl im kommenden April gut im Rennen: das Schwergewicht der französischen extremen Rechten, Marine Le Pen, und der politische Neuling und Rechtspopulist Éric Zemmour.

Der erste Wahlgang zur Präsidentschaftswahl findet am 10. April 2022 statt. Sollte kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten, ist am 24. April ein zweiter Wahlgang vorgesehen.

4. Atomausstieg

Vor einer Zäsur steht die Bundesrepublik Deutschland Ende 2022, dann sollen die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Aktuell sind in Deutschland noch sechs AKW am Netz. Als letzte abgeschaltet werden voraussichtlich die jüngsten Reaktoren – das Atomkraftwerk „Isar 2“ in Bayern, „Emsland“ in Niedersachsen und „Neckarwestheim 2“ in Baden-Württemberg.

Beschlossen wurde der finale Ausstieg nach der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima 2011. Der Rückbau der Meiler wird aber viele Jahre in Anspruch nehmen. Wo hoch radioaktiver Müll gelagert werden soll, ist auch unklar, die Suche nach einem Endlager läuft. Allein diese nimmt noch zehn Jahre in Anspruch, für die Inbetriebnahme eines Endlagers wird das Jahr 2050 angepeilt.

In den vergangenen Wochen hatte es eine Debatte über längere Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke gegeben. Hintergrund waren Frankreichs Pläne für neue Atommeiler und Diskussionen, ob Atomstrom ein Beitrag zum Klimaschutz sein könnte. Ein breiterer politischer Wille zur Abkehr vom Atomausstieg ist in Deutschland aber nicht vorhanden.

5. G7-Gipfel in Deutschland

Im Jahr 2022 hat Deutschland wieder den Vorsitz der sieben führenden westlichen Industriestaaten inne. Über Themen ist bislang wenig bekannt, Gipfelort könnte aber wie 2015 das Schloss Elmau in den Bergen bei Garmisch-Partenkirchen sein. Dem neuen Kanzler Olaf Scholz verschafft der G-7-Vorsitz eine gute Gelegenheit, sich auf der ganz großen internationalen Bühne zu präsentieren. Schon 1999 hatte die SPD-geführte Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder kurz nach der Amtsübernahme diese besondere internationale Herausforderung zu bewältigen, damals noch als G-8-Vorsitzland unter Einschluss Russlands. Danach war Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zweimal Gastgeberin.

6. Donald Trump again?

Amerika ist Weltmacht, Supermacht, Weltpolizei, doch in einem sind die großen Vereinigten Staaten von Amerika auch nicht anders als die meisten anderen Demokratien: Wenn Wahlen anstehen, dann richtet sich der Blick nach innen. Große Linien der Geopolitik sind nicht entscheidend, wenn der Farmer im Mittleren Westen zur Stimmabgabe gerufen wird, die Lage im Nahen Osten interessiert die wenigsten, die zu Hause um eine vernünftige Gesundheitsversorgung bangen.

Und auch wenn es so scheint, als habe der Demokrat Joe Biden seine Präsidentschaft gerade erst begonnen – es ist schon wieder so weit, in den USA ist Wahlkampf. Im November stehen die sogenannten Zwischenwahlen an. Die hauchdünne Mehrheit der Demokraten steht auf dem Spiel, sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus. Und die Parteistrategen der Republikaner schauen noch weiter in die Zukunft: Wenn 2024 wieder ein neuer Präsident gewählt wird, mit wem sind die Chancen dann wohl am größten.

Mit Donald Trump? Der Ex-Präsident ist für viele ein Horror – für viele andere aber ein Hoffnungsträger. Sein Wahlkampfeinsatz und ein daraus resultierender Erfolg können einen Fingerzeig darauf geben, wie es in naher Zukunft weitergeht.

7. USA gegen Russland und China

Seit vielen Jahren ringen Brüssel und Moskau um Macht und Einfluss bei den Staaten, die östlich der EU-Grenzen auf dem alten Kontinent liegen. Ein noch viel heftigeres Ringen droht der Welt. Die USA sucht auf allen Kontinenten Verbündete, Russland und China machen das ebenso vor ihrer Haustür, aber nicht nur dort.

Der wirtschaftliche Wettstreit ist auch ein Wettstreit der politischen Systeme, der im neuen Jahr noch nicht entschieden wird. Zunächst geht es darum, die Spielregeln festzulegen, nach denen auch in der weiteren Zukunft gerungen werden wird. Die bisherige Organisation der Welt ist stark vom Westen geprägt, diese Vorherrschaft wird sich nicht halten lassen.