Einer militärischen Spezialeinheit ist es gelungen, sechs Tote von White Island zu bergen. Zwei Personen werden noch vermisst. Neuseeland diskutiert, ob die Vulkaninsel für immer gesperrt werden soll.

Wellington - Die Mission am Freitag war gefährlich: Whakaari, der Vulkan auf der neuseeländischen Insel White Island, ist nach wie vor unberechenbar. Wissenschaftler der geologischen Forschungsagentur GNS Science schätzten die Gefahr einer weiteren Eruption in den kommenden 24 Stunden um die 50 bis 60 Prozent ein. Vulkanologen überwachten White Island während der Bergungsaktion, falls die Mission hätte abgebrochen werden müssen.

 

Neuseeland liegt viel daran, den trauernden Angehörigen ihre toten Familienmitglieder zurückzubringen. „Wir wollen einfach jeden nach Hause bringen“, sagte Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern im Interview mit dem australischen Sender ABC.

Sechs Tote konnten am Freitag dann auch erfolgreich geborgen werden. Ihr Aufenthaltsort war bekannt gewesen, nachdem die Suchmannschaften Drohnenaufnahmen ausgewertet hatten. Die Einsatzkräfte hätten „viel Mut“ gezeigt, um die Vermissten zurückzubringen, sagte der zuständige Polizeikommissar Mike Bush nach dem Einsatz. Zwei weitere Vermisste, die man auf der Insel vermutet, konnten nicht geborgen werden. Einer der Toten befindet sich offenbar im Meer vor der Insel, der zweite Tote wurde nicht gefunden.

Die Luft um den Vulkan ist mit Gasen vergiftet. Bergungsmannschaften können nur mit Atemgeräten und Sicherheitsausrüstung auf die Insel. Die Bergung dauerte am Freitagmorgen aufgrund der notwendigen Ausrüstung und der schwierigen Bedingungen dann auch länger als gedacht. Wann die Einsatzkräfte zurückkehren können, um die weiteren zwei Toten zu bergen, ist bisher unklar. Insgesamt befanden sich 47 Touristen auf der Insel, als der Vulkan am Montagnachmittag Ortszeit ausbrach. 16 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben, einige starben im Krankenhaus an ihren Verbrennungen. Etliche Menschen befinden sich nach wie vor in kritischem Zustand, einige haben Verbrennungen an bis zu 90 Prozent ihres Körpers.

Die Maori vor allem wünschen, dass der Vulkan in Ruhe gelassen wird

Neuseeländische Krankenhäuser haben 120 Quadratmeter Transplantationshaut aus den USA bestellt, um die Verletzten zu behandeln, denen Monate und möglicherweise Jahre an Behandlungen bevorstehen. Einige australische Patienten wurden inzwischen nach Australien transportiert.

Während Familienmitglieder und Einheimische am Freitag der Toten gedachten, wird in dem kleinen Küstenort Whakatane, von wo die Ausflugsboote nach White Island starteten, über die Zukunft der Insel debattiert. Vor allem die Maori, die neuseeländischen Ureinwohner, die den Vulkan als einen ihrer Vorfahren betrachten, wünschen sich, dass er künftig in Ruhe gelassen wird. Lokale Reiseveranstalter und die Bürgermeisterin möchten die Touren dagegen wiederaufnehmen, sobald die Lage wieder sicherer ist.

Es ist schwierig einzuschätzen, wann die Situation als „sicher“ eingestuft werden kann, weil ja auch der Ausbruch am Montag verhältnismäßig überraschend war. Die Alarmstufe war zuvor zwar von eins auf zwei erhöht worden – die Höchststufe ist fünf –, doch ein Ausbruch lässt sich davon nicht unbedingt ableiten. Der Vulkan Whakaari gilt bei den Einheimischen als Pulverfass, und auch der australische Vulkanologe Ray Cas von der Monash-Universität in Melbourne wies diese Woche darauf hin, dass es sich quasi um eine Katastrophe handelte, „auf die man warten konnte“.

Opfer und Familienangehörige werden nicht wegen Fahrlässigkeit klagen können

Gleichzeitig kam vier Tage nach dem Unglück die Frage auf, wer genau für die Sicherheit der Touristen auf White Island verantwortlich war und wer zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Die rechtliche Lage in Neuseeland ermöglicht es nicht, Zivilklagen gegen die Reiseveranstalter zu erheben, die Touristen auf die Insel brachten.

Ein Unfallentschädigungssystem der neuseeländischen Regierung deckt zwar die Kosten für die gesamte Behandlung von in Neuseeland erlittenen Verletzungen ab – auch für Ausländer. Aber Opfer und Familienangehörige werden nicht wegen Fahrlässigkeit klagen können. Juristische Experten sagten dem „Guardian“, dass dieses System es ermöglicht habe, den „innovativen“ Abenteuertourismus des Landes überhaupt erst zu entwickeln, der „anderswo auf der Welt nur schwer zu etablieren wäre“, wie Simon Milne, Professor für Tourismus an der Auckland University of Technology, sagte.