Ärzte, Handwerker und Gastronomen beklagen eine schlechte Kundenmoral. Immer öfter schwänzen Patienten vereinbarte Termine und reservierte Tische im Restaurant bleiben leer. Das kann teuer werden.

Untertürkheim - D er Tisch im Restaurant ist reserviert und wird auch freigehalten, aber die Gäste erscheinen nicht, ohne abzusagen. Der Handwerker hat sich auf den Weg zum Kunden gemacht, steht aber zum vereinbarten Zeitpunkt vor verschlossenen Türen. Der Facharzt hat sich auf eine ambulante Operation bei einem Patienten eingerichtet, doch dieser bleibt unentschuldigt fern. Ärzte, Handwerker und Gastronomen klagen über eine zunehmend schlechte Kundenmoral. Unentschuldigt Fehlen wird als Kavaliersdelikt angesehen. „Es kann ja etwas dazwischengekommen sein oder der Patient ist krank geworden, aber wieso kann er dann nicht rechtzeitig anrufen?“, wundert sich eine Medizinerin. Ärzten werde oft vorgeworfen, dass sie zu wenige Praxistermine anbieten und überfüllte Wartezimmer werden als Manko für schlechtes Terminmanagement angeführt. Dass immer öfter Patienten wegbleiben und dadurch Leerlauf entsteht, werde nicht thematisiert.

 

Aus diesem Grund sind einige Fachärzte, Therapeuten oder Zahnärzte dazu übergegangen, Ausfallentschädigungen zu verlangen. „Wenn dies vorab mit dem Patienten vereinbart wurde, ist dies auch rechtens“, sagt Anja Moessinger von der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Sie verweist auf ein Urteil, das dieses Vorgehen 2011 als rechtmäßig erklärt hat. Eine Statistik über die Häufigkeit des unentschuldigten Fehlens gebe es nicht, aber die Klagen würden zunehmen.

Arztpraxen stark betroffen

Gesicherte Erkenntnisse kann auch Kai Sonntag, der Leiter der Stabstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, nicht bieten. „Uns wird immer wieder von Praxen berichtet, dass dort Termine nicht wahrgenommen werden. Teilweise werden uns bis zu 30 Prozent genannt. Ob das flächendeckend ist und ob es zugenommen hat, wissen wir nicht.“ Bei Hausärzten, bei denen die Behandlungen zumeist kurzfristig stattfinden, falle dies weniger ins Gewicht. Fachärzte, die meist mit langfristig festgelegten Terminen arbeiten und den Praxisablauf organisieren müssen, seien dagegen stärker betroffen. Sie können gegebenenfalls Anspruch auf Vergütung oder Schadensersatz erheben.

„Generell sind Ausfallhonorare bei Ärzten und Zahnärzten zulässig, aber dies muss vorab mit dem Patienten vereinbart worden sein, und zwar nicht im Kleingedruckten, sondern der Kunde muss deutlich darauf hingewiesen werden“, sagt Niklaas Haskamp von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dennoch könne jedes Ausfallhonorar als Einzelfall geprüft werden. Denn die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt werden. Bei einer gut organisierten Bestellpraxis sei das Vorgehen gerechtfertigt. Wenn das Wartezimmer dagegen regelmäßig voll ist und ein anderer Patient bedient werden kann, bestehen eher keine Vergütungsansprüche. Relativ sicher ist es, den Termin rechtzeitig, am besten schriftlich, zu stornieren. Absagefristen von mehr als 24 Stunden werden von den Gerichten normalerweise als zulässig anerkannt.

Kulanz empfohlen

Verbraucherschützer Haskamp setzt aber auch auf Kulanz. „Der Handwerker, der vergeblich zu einem Termin gefahren kam, kann seinen An- und Abfahrtsweg in Zahlung stellen, aber er will ja sicherlich auch den Auftrag zu einem anderen Termin wahrnehmen“, erklärt Haskamp. Auch mancher Restaurantbesitzer drückt kulanterweise ein Auge zu. Kleine Restaurants der Oberklasse gehen aber dazu über, bei der Tischreservierung die Kreditkartendaten zu erfragen und bei unentschuldigtem Fernbleiben, eine Nicht-Erscheinungsgebühr abzurechnen. Bei einer Leserumfrage einer Tageszeitung stimmten 54 Prozent dieser Maßnahme zu, weitere 29 Prozent halten sie für gerechtfertigt, würden aber die Kreditkartendaten nicht herausgeben. „Jeder Gastronom muss sich überlegen, ob er damit seine Kunden vergrault“, sagt Vera Hutzelmann vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg. Es komme immer öfter vor, dass Gäste in zwei oder drei Restaurants einen Tisch bestellen und sich erst kurz vor dem Termin für das „passende“ entscheiden. „Für Restaurants mit wenig Laufkundschaft entstehen Kosten oder sie verlieren andere Kunden, weil sie keinen freien Tisch anbieten können“, so Hutzelmann. Ihr Fazit: Die richtige Vorgehensweise ist für jeden eine schwierige Abwägungssache.