Auf Titel und Preise legte die Stuttgarter Eventus-Genossenschaft großen Wert. Nun, da sie insolvent und im Visier der Justiz ist, rudern die Verleiher zurück – und wehren sie sich gegen den Verdacht, man könne die Auszeichnungen kaufen

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein Fund, der den Insolvenzverwalter trotz der trüben Lage schmunzeln ließ. In den Geschäftsräumen der Eventus Wohnungsgenossenschaft am Killesberg stieß Tibor Braun auf eine Art Trophäe: „Top Innovator 2017“ prangte auf einem Plexiglas-Aufsteller, die zugehörige Urkunde erläuterte den Titel. Das Unternehmen gehöre zu den „Top-Innovatoren im Mittelstand“, die Prüfung seines Innovationsmanagements habe „hervorragende Ergebnisse“ gebracht. Unterschrieben war das Dokument vom TV-Moderator Ranga Yogeshwar und einem Wiener Wirtschaftsprofessor.

 

Innovativ war die Eventus eG in der Tat, wie Braun feststellte – vor allem darin, aus wenig Substanz viel Geld zu machen. Rund zehn Millionen Euro hatte sie von Anlegern eingesammelt, angeblich, um sie bundesweit in Immobilien zu investieren. Doch der Insolvenzverwalter fand in der Kasse gerade einmal 7000 Euro vor, dazu drei Wohnungen in Chemnitz und ein Grundstück in Stuttgart. Der Eventus-Gründer Marco T. sitzt inzwischen in Untersuchungshaft, gegen ihn und weitere Verantwortliche ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Untreue und Betruges. Etwa 450 Geschädigte in ganz Deutschland bangen nun um ihr Geld, bei manchen geht es um die wirtschaftliche Existenz.

Für glänzende Fassade viel investiert

Dass Sie Marco T. lange für seriös hielten, hat auch mit Auszeichnungen wie dem Innovationspreis „Top 100“ zu tun. Für eine glänzende Fassade investierte der Eventus-Chef viel Geld und Mühe. Mit opulenten Anzeigen, PR-Artikeln, Ständen auf Anlegermessen oder Videointerviews warb er für die angeblich solide und risikoarme Anlage – aber eben auch mit Firmenwettbewerben. Die Initiative „Great Place to work“ oder der „Deutsche Preis für Sales Performance“ waren weitere Namen, mit denen er sich schmückte.

Nun, da Eventus insolvent und im Visier der Justiz ist, rudern die Veranstalter zurück. Das erst im Juni verliehene Top-100-Siegel wurde Eventus Ende August wieder entzogen, als die ersten Vorwürfe bekannt wurden. Man sei über „betrügerische Machenschaften“ informiert und offenbar selbst getäuscht worden, verkündete die Überlinger Compamedia GmbH als Ausrichterin per Pressemitteilung. Eventus dürfe nicht länger mit der Auszeichnung werben und auch keine Bilder von der Ehrung mehr benutzen; Marco T. und seine einen Kopf größere Ehefrau posierten da auf der Bühne stolz neben dem TV-Star Yogeshwar.

Gegen Betrug nicht gefeit

Beim Arbeitgeberwettbewerb „Great Place to work“ in Köln werden die „Geschehnisse“ bei Eventus ebenfalls bedauert und verurteilt. Man habe „das Unternehmen von unseren Siegerlisten genommen“, sagt ein Sprecher. Deutlich weniger rigide reagierten die Verleiher des Sales-Performance-Preises in Berlin, hinter dem als Schirmherren nebst einer Zeitschrift die private Quadriga-Hochschule mit dem früheren SWR-Chef Peter Voß als Präsidenten steht: Sollte sich der Betrugsverdacht bestätigen und es zu einer Verurteilung kommen, sagt eine Sprecherin, werde man „einen Entzug der Nominierung in Erwägung ziehen“.

Wie aber konnte die Eventus Genossenschaft bei den Wettbewerben reüssieren? Handelt es sich um gekaufte Ehre, wie seither immer wieder gefragt wird, besonders aus dem Kreis der Geschädigten und zuletzt auch in Berichten des SWR-Fernsehens und des NDR-Medienmagazins „Zapp“? Was sind die Auszeichnungen wert, wenn sie ein mutmaßlich kriminelles Geschäftsmodell adeln? Gegen Betrug sind natürlich auch die Organisatoren nicht gefeit, doch sie stehen seither unter einem gewissen Erklärungsdruck.

Ohne Geld kein Top-100-Titel

Bei Compamedia wehrt man sich vehement gegen den Eindruck, die Auszeichnung lasse sich kaufen. Fakt ist, dass es ohne Geld keinen Top-100-Titel gibt: Je nach Unternehmensgröße werden dann zwischen 8900 und 9900 Euro fällig; die bloße Teilnahme ist kostenlos. Bei bis zu 300 potenziellen „Top“-Firmen kommt so ein hübsches Sümmchen zusammen. Zahlen nennt der Veranstalter nicht, verweist aber auf den Aufwand für die Untersuchung der Unternehmen, die „wissenschaftliche Leitung“, die Preis-Gala oder das Gewinnerbuch. Ginge es ums Geld, sagt ein Sprecher, müsste man in jeder der drei Kategorien 100 Top-Innovatoren küren. Im Schnitt scheiterten jedoch 30 bis 40 Prozent der Kandidaten. Dieses Jahr seien nur 262 Firmen ausgezeichnet worden.

Ähnlich wie beim Tüv, argumentieren die Überlinger, finanziere sich „die Unabhängigkeit des Urteils aus Gebühren“. Der Wiener Wirtschaftsprofessor Nikolaus Franke und sein Team entschieden, wer in die Top 100 gelange; zu den drei Favoriten in jeder Kategorie gebe es umfangreiche Dossiers. Erst auf dieser Basis küre die Jury dann die Gesamtsieger; mit Eventus sei sie, weil nicht unter den ersten drei, gar nicht befasst gewesen.

Prominente Juroren aus dem Südwesten

Gemessen an ihrer eingeschränkten Rolle werden die prominenten Juroren indes stark herausgestellt. Aus Baden-Württemberg zählen dazu der Noch-Grünen-Chef Cem Özdemir, der Manager Kurt Lauk, der Forscher Hans-Jörg Bullinger oder die Unternehmer Klaus Fischer und Antje von Dewitz. Der Ex-EnBW-Chef Utz Claassen lasse seine Jury-Mitgliedschaft gerade ruhen wegen der Teilnahme seiner Firma Syntellix an dem Wettbewerb; da habe er „jeden Anschein“ von Einflussnahme vermeiden wollen. Die Juroren bekämen „keinerlei Entschädigung“, betont der Compamedia-Sprecher, Yogeshwar eine nicht bezifferte „Aufwandsentschädigung“. Als „Mentor“ wie er firmierte vor einigen Jahren auch der TV-Moderator Frank Plasberg bei einem inzwischen abgegebenen Arbeitgeber-Wettbewerb der PR-Firma. Als ein Medienjournalist öffentlich fragte, wie das „Werbegequatsche“ zu seiner Position im öffentlich-rechtlichen Rundfunk passe, zog sich Plasberg bald darauf wieder zurück.

Ähnlich funktioniert auch der Wettbewerb von „Great Place to work“ Deutschland. Dort landete Eventus 2017 bei den „besten Arbeitgebern in Baden-Württemberg“ in der Kategorie der kleinen Firmen auf Platz zwei. Die anonyme Mitarbeiterbefragung und das „Kultur Audit“ habe die Genossenschaft erfolgreich absolviert, berichtet ein Sprecher, auch ein „Umfeld-Check“ habe keine kritischen Befunde erbracht. Alles habe darauf hingedeutet, dass dem Unternehmen „die Erhaltung einer sehr guten Arbeitsplatzkultur wichtig ist“. Die Auszeichnung zu kaufen sei „nicht möglich“, betonen auch die Kölner. Die Kosten für die Teilnahme (in der Kategorie von Eventus 950 Euro) fielen unabhängig vom Erfolg an. In diesem Jahr zum Beispiel hätten sich 115 Arbeitgeber aus Baden-Württemberg beworben, aber nur 29 seien ausgezeichnet worden.

Firmen für Angaben selbst verantwortlich

„Spitzenleistungen im Vertrieb“ würdigt der Deutsche Preis für Sales Performance, der 2016 erstmals vergeben wurde; Eventus war dabei nominiert, aber nicht Gewinner. Wie alle Firmen bewarb sich die Genossenschaft mit Online-Angaben, für deren Richtigkeit sie laut einer Sprecherin „selbst verantwortlich“ sind; im zweiten Schritt prüfe die Jury dann die engere Auswahl. Damals, wird betont, habe „noch keinerlei Betrugsverdacht“ bestanden. Für jede erste Bewerbung würden 290 Euro fällig, für eine Teilnahme an der Preisverleihung nochmals der gleiche Betrag. Von mehr als 120 Aspiranten, so die Sprecherin, seien 57 nominiert und 15 ausgezeichnet worden.

Einige der Top-100-Juroren haben inzwischen übrigens Post von den Eventus-Geschädigten bekommen. „Wie ernst nehmen Sie Ihre Verantwortung?“, fragte die Vorsitzende der Interessengemeinschaft sie per Mail. Etliche Anleger hätten ihre Altersversorgung verloren, manche stünden vor dem Ruin. „Reden Sie persönlich mit uns? Oder trauen Sie sich das nicht?“ Auf Antwort der Adressaten wartet sie noch heute, dafür meldete sich der Veranstalter: Sie solle die Juroren bitte nicht mit Eventus in Verbindung bringen.