Die Knochen wurden in einem Baugebiet von Leinfelden gefunden. Sie gehören offenbar zu einer Frau, die in der frühen Jungsteinzeit gelebt hat. Was steckt dahinter?

Leinfelden - Zwei Wochen vor dem Ende der Rettungsgrabungen im Leinfelder Gebiet Schelmenäcker haben Mitarbeiter einer Spezialfirma einen weiteren bemerkenswerten Fund gemacht. Beim Freilegen einer Siedlungsgrube aus der frühen Jungsteinzeit sind sie auf ein komplettes, aber laut Jörg Bofinger, recht brüchiges Skelett gestoßen. Bestimmte Winkel im Beckenknochen beispielsweise sprächen dafür, dass es sich hierbei um die menschlichen Überreste einer erwachsenen Frau handelt, erklärt der Referatsleiter für Operative Archäologie am Landesamt für Denkmalschutz des Stuttgarter Regierungspräsidiums unserer Zeitung.

 

Die Tote muss vor etwa 7000 Jahren auf der Seite liegend mit angezogenen Knien beerdigt worden sein. Eine Feuersteinklinge und ein kleines Gefäß lagen neben ihr im Grab. Wie alt die Frau geworden ist, können die Forscher noch nicht sagen. Das soll noch bei einer wissenschaftlichen Analyse durch einen Anthropologen in Konstanz geklärt werden.

Die Knochen der Toten werden noch genauer untersucht

Die Knochen werden dann auch auf Verletzungen, auf Krankheitshinweise und auf Ernährungsgewohnheiten untersucht. „Mit der Toten tritt die steinzeitliche Bevölkerung selbst in Erscheinung – nicht nur in Form von Spuren im Boden“, heißt es in einer Pressemitteilung des Regierungspräsidiums.

Zur Erinnerung: In dem Leinfelder Gebiet sollen 600 neue Wohnungen entstehen. Zuvor aber mussten dort die archäologischen Funde eines jungsteinzeitlichen Dorfes, das sich nördlich der Max-Lang-Straße bis an die S-Bahn-Trasse im Süden erstreckt, gesichert werden. Spuren einer solchen Siedlung wurden bereits Anfang der 1990er Jahre im Zuge des S-Bahn-Baus entdeckt. Im Auftrag der Stadt und unter Aufsicht des Landesamtes für Denkmalschutz hat die Fachfirma Archaeo-BW zehn Monate lang eine Fläche von 2,5 Hektar untersucht und dort mehr als 2000 archäologische Strukturen erfasst und dokumentiert. Einige Keramikscherben aus der Zeit von 5000 vor Christus, die laut Bofinger auch ausgestellt werden könnten, sowie die Spuren von 35 Langhäusern – den in der Jungsteinzeit typischen Gebäuden – sowie große Teile eines Dorfplanes hat das Team aus dem Erdreich geborgen. Bofinger könnte sich gut vorstellen, dass ein Absolvent der Uni Tübingen über dieses Dorf seine Abschlussarbeit verfasst. Die Häuser standen dort teils sehr eng, mehrere Generationen haben dort gelebt.

Die Frau gehörte wohl auch zu den Linearbandkeramikern

Zuletzt sind die Mitarbeiter nun also auch auf menschliche Knochen gestoßen: „Siedlungsbestattungen aus dieser frühen Zeit“ sind laut dem Referatsleiter keine „alltäglichen Entdeckungen.“ Die Frau dürfte wohl auch zu der Gruppe der Linearbandkeramiker gehört haben. Diese Menschen heißen so, weil sie in ihre Keramikgefäße bandförmige Muster geritzt haben. Sie waren die ersten sesshaften Gruppen auf den Fildern. Sie lebten vom Ackerbau und von der Viehhaltung.

Die Grabungen, für welche die Stadt 800 000 Euro ausgeben muss, sind seit Anfang April abgeschlossen. Alle Funde liegen noch bei der Grabungsfirma. Sie werden gereinigt und beschriftet.

Bürgermeisterin Eva Noller zeigt sich positiv überrascht über die neuen Entdeckungen: „Diese Ergebnisse rechtfertigen die Kosten“, wird sie zitiert. Durch den Fund der Toten kommen keine weiteren Kosten auf die Kommune zu. Noller freut sich auch, dass die Arbeiten termingerecht fertig wurden. Denn: „Die geplanten Wohn-, und Geschäftshäuser sollen so früh wie möglich gebaut werden.“