Mit Stricken oder Häkeln hat sich unsere Autorin seit der Grundschule nicht mehr beschäftigt. Damals hatte sie kein Talent dafür – nun findet sie heraus, ob das immer noch so ist.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Birkach - Der traumatische Höhepunkt und bisherige Abschluss meiner Handarbeitskarriere fand in der Grundschule statt. Wir sollten eine Maus häkeln, diese anschließend mit Watte füllen und mit Öhrchen, Augen und Schnurrbarthaaren versehen. Ich häkelte so schlecht, dass die Füllung aus den vielen Löchern gleich wieder hervorquoll, der Rest des Wesens ähnelte vielem, aber keiner Maus. Meine Mutter hat das Ding sorgsam aufbewahrt: Es dient auch heute noch als Pointe vieler familieninterner Witze. Danach habe ich jedenfalls nie wieder Häkel- oder Stricknadeln in die Hand genommen.

 

Mekka für Handarbeitsliebhaber

Bei Heidi Käser soll aber alles ganz anders werden: Ich besuche sie in ihrem Geschäft, Wolle-Käser, an der Birkheckenstraße, dem Mekka aller Handarbeitsliebhaber. Sie hat eingewilligt, mir das Stricken beizubringen.

Ihre Geduld stelle ich gleich mal auf die Probe: Wir wollen einen Spüli stricken, Topflappen und Wischtuch in einem. Das Anschlagen der Maschen, also der erste Schritt beim Stricken, überfordert mich fundamental. Welche Hand nehme ich, um welche Finger muss der Wollfaden gewickelt werden, wo ist hinten, wo ist vorne? Heidi Käser ist aber durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Also noch mal von vorne: Linke Hand, der Faden umwickelt Mittel- und Ringfinger, und wird zweimal um den Zeigefinger gelegt, dann nach vorne um den Daumen. „Rechts herum, nicht von links“, erinnert mich Käser, solch kleinen Details sind wichtig.

Unter der Schlaufe durch

Dann kommen die Stricknadeln an die Reihe: Beide zusammen gehen unter der Schlaufe durch, die am Daumen entstanden ist. „Dann den Faden am Zeigefinger holen“, erklärt Heidi Käser, unter der Schlaufe durch, vom Daumen abstreifen, und fertig ist die erste Masche, die auf den Nadeln sitzt. „Wir nehmen zwei Nadeln, weil die Wolle sich sonst zu sehr zusammenzieht“, weiß die Expertin. Und dann alles von vorne, so lange, bis die erste Reihe fertig ist. Zuerst komme ich mächtig ins Schwitzen und muss genau aufpassen: um den Daumen, Faden holen, wieder um den Daumen, abstreifen. „Mit ein bisschen Übung geht das ganz leicht“, ermuntert Heidi Käser. Übung hat sie, und wie: „Als Schulkind habe ich angefangen zu stricken“, erinnert sie sich, gelernt hat sie es von Mutter und Großmutter. Noch während der Schule hat sie sich so etwas dazu verdient. Wolle, Garne, Strickanleitungen, linksherum, rechtsherum, verschiedene Farben, verschiedene Muster: Heidi Käser kann alles, weiß alles, zumindest ist das der Eindruck.

Der Lehrmeisterin fällt alles auf

Und ihr entgeht nichts: Das fällt gleich auf, als es ans Stricken geht. Sie strickt mir die erste Reihe, „dann wird’s einfacher“. Und nun bin ich dran: Die Maschen sind schön auf der linken Stricknadeln aufgereiht. „Der Faden kommt nach hinten“, mahnt Käser. Mit der rechten Nadel geht es von vorne durch die erste Masche, dann nach hinten zum Faden holen, wieder nach vorne durch, von der linken Nadel abstreifen. Dann sitzt die Masche auf der rechten Nadel. Und dann wird wiederholt. „Hui, was haben Sie denn da gemacht?“, höre ich von Heidi Käser mehrmals: Stets klingt es eher belustigt als kritisierend. Ihr fällt jede Unregelmäßigkeit im Gestrickten sofort auf, egal ob abgefallene Masche, nicht festgezogener Faden, oder das, was ich es nach ein paar Reihen gleich hineingestrickt habe: ein hübsches kreisrundes Loch. Die Löcher scheinen mich auch 25 Jahre nach der Häkelmaus zu verfolgen, obwohl ich beim besten Willen nicht sagen kann, wie ich das geschafft habe. „Das kriegen wir wieder hin!“, sagt Heidi Käser und richtet mit ihren Zauberfingern das, was ich verhunzt habe. Und auch hier ist es wie gehabt: Am Anfang sind die Bewegungen ungewohnt und fallen schwer. Sobald ich ein paar Minuten gestrickt habe, geht es schon einfacher: Ich muss weniger darüber nachdenken, die Finger tun die Arbeit fast schon automatisch. „Das wird schon viel besser“, lobt Käser, „viel gleichmäßiger!“ Fädelesmaschen, urteilt sie, scheinen meine Spezialität zu sein: Ein paarmal stricke ich im Übermut nicht nur mit jeweils einer Masche weiter, sondern ziehe auch gleich die Hälfte der nächsten Masche mit durch. Heidi Käser entgeht auch das nicht, und sie weiß den Fehler zu korrigieren, während ich hilflos zuschaue.

Ich will den Spüli fertigstricken

Je länger ich dran sitze, desto besser klappt es. Auf einmal schöpfe ich Hoffnung: Vielleicht steckt doch eine begnadete Strickmeisterin in mir! Mit ein bisschen mehr Übung! Vielleicht war die Häkelmaus nur eine unglückliche Ausnahme! Mein Ehrgeiz ist geweckt: Ich will den Spüli fertigstricken. So schwer kann das doch nicht sein! Ein paar Abende später setze ich mich hin und stricke weiter, und auch an den meisten der folgenden Abende: Zu groß ist meine Sorge, die mühselig gelernten Handgriffe gleich wieder zu vergessen. Aber ohne Heidi Käsers Aufsicht sehen meine Maschenreihen unordentlicher aus, ein Loch fällt mir erst auf, als ich bereits einige Reihen weitergestrickt habe. Wie man es korrigieren kann, wüsste Heidi Käser – ich weiß es nicht. Die begnadete Strickmeisterin in mir versteckt sich. Aber ich will weitermachen: Irgendwann kommt sie schon raus, die Strickmeisterin. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Mitstricken:

Alle zwei Wochen samstags gibt es den Stricktreff bei Heidi Käser im Laden an der Birkheckenstraße 1: Wer Lust hat, mitzustricken, kann das nächste Mal am 11. Juni zwischen 13 und 17 Uhr vorbeischauen. Die weiteren Termine stehen auf der Facebookseite (nach „BK Wolle“ suchen), man erfährt sie auch telefonisch (456 09 45). Auch abseits des Stricktreffs steht Heidi Käser im Laden für Tipps und Tricks in Sachen Stricken, Wolle oder Vorlagen zur Verfügung.