Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels und der Heeresinspekteur sind sich einig: Die Bundeswehr braucht mehr Geld, weil die Sicherheit Europas wieder bedroht ist.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Der neue Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) und der Heeresinspekteur Bruno Kasdorf fordern eine deutliche Erhöhung des Verteidigungsetats, um Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr zu schließen. „Dass die Bundeswehr Geräte wie in den vergangenen Jahren nur für den Einsatz verfügbar hat, ist nicht mehr genug“, mahnt Bartels. Wegen der veränderten Außenpolitik Russlands „brauchen wir wieder eine glaubhafte Fähigkeit zur Bündnisverteidigung in Europa. Heute ist die Vollausstattung der deutschen Streitkräfte notwendig. Deshalb wird von 2017 an zusätzliches Geld für den Verteidigungsetat erforderlich sein“, betont er. Bartels fordert Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf, die nötige Investitionssumme zu beziffern.

 

Die alten Sparmodelle passen nicht mehr zur neuen Lage

Damit verlangt Bartels auch die Abkehr von einem Sparmodell, das von der Leyens Vorgänger, der jetzige Innenminister Thomas de Maizière (CDU), eingeführt hat. Das „dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ läuft darauf hinaus, die Truppe nicht mehr zu hundert Prozent mit dem notwendigen Material auszustatten, sondern im Schnitt nur mit 70 Prozent. Einheiten im Auslandseinsatz wurden mit allem Nötigen versorgt; die Truppen zuhause mussten dafür Geräte abgeben. Das führte dazu, dass der Heimat- und Übungsbetrieb drastisch unter Materialmängeln litten.

Was das für die größte Teilstreitkraft bedeutet, hat Heeresinspekteur Bruno Kasdorf in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ dargelegt: Bei Nachtsichtgeräten stünden dem Heer nur 20 Prozent des tatsächlichen Bedarfs zur Verfügung, bei Nachtsichtbrillen für Kraftfahrer seien es sogar nur ein Prozent. „Der Fehlbedarf zieht sich von den kleinen Ausrüstungsgegenständen wie einer zu geringen Anzahl an bestimmten Schutzwesten über stabilisierte, nachtsichtfähige Ferngläser, die Ausstattung unserer Infanteristen mit einer modernen Gefechtsausrüstung bis hin zu geschützten und ungeschützten Fahrzeugen“, so der General. Auch die Ausstattung für den deutschen Teil der neuen extraschnellen Nato-Eingreiftruppe ist nach seiner Aussage aus dem gesamten Heer zusammengestückelt.

Angesichts der neuen Sicherheitslage in Osteuropa hält Kasdorf „eine punktuelle Ausstattung des Heeres“ nicht für ausreichend. Dringend sei auch eine Aufstockung der Munitionsvorräte. Die jährliche Deckungslücke beim Heer beziffert Kasdorf auf 800 Millionen Euro. „Die Finanzausstattung heute ist nicht einmal im Ansatz ausreichend“, betont der General. Ändere sich nichts, werde sich das Defizit bis 2025 auf zwanzig Milliarden Euro summieren.

„Der Wehretat muss kontinuierlich steigen“

Bei den Verteidigungspolitikern der Koalition stoßen die Forderungen auf offene Ohren. Der CDU-Politiker Henning Otte räumte gegenüber der StZ ein, dass die Vollausstattung der Truppe im aktuellen Finanzrahmen nicht möglich sei: „Angesichts der Sicherheitslage ist das aber erforderlich. Daher müssen wir die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr weiter anpassen. Der Wehretat muss kontinuierlich erhöht werden.“ Auch sein SPD-Kollege Rainer Arnold ist überzeugt davon, „dass der Verteidigungsetat mittelfristig steigen muss“. Die Einschätzungen des Heeresinspekteurs hätte Arnold aber gerne früher erfahren. „Ich begrüße es grundsätzlich, wenn führende Soldaten eine eigene Meinung haben und sie öffentlich sagen. Ich hätte mir allerdings mehr Mut gewünscht, als es um die in Teilen falsche Bundeswehrreform von Thomas de Maizière ging.“

„Wir müssen erst klären, was die Aufgaben der Bundeswehr in Zukunft sind“, fordert hingegen die Verteidigungsexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger. „Erst wenn das geschehen ist, können wir Schlüsse für die Ausrüstung daraus ziehen.“