Die „badischen Bleichgesichter“ fühlen sich den „Rothäuten“ besonders verbunden.

Karlsruhe - Die Bürgergesellschaft der Karlsruher Südstadt trägt seit jeher ein ganz eigentümliches Logo im Stadtteilwappen: einen Indianerkopf. Das Original steht in Stein gemeißelt und überlebensgroß auf dem zentralen Werderplatz. Deshalb nennt man Bewohner des Stadtteils auch manchmal scherzhaft „Südstadtindianer“. Der seit bald 100 Jahren im Stadtbild präsente „Indianerkult“ der Karlsruher wird jetzt in zwei Ausstellungen gezeigt: im Badischen Landesmuseum unter dem Titel „Cowboy und Indianer“ – und gleichzeitig im Stadtmuseum mit Fokus auf „Rothäute in der Südstadt“.

 

Der 1927 aufgestellte Indianerbrunnen wird zum „Südstadtfestival“ im Mai festlich geschmückt: mit Federn und Girlanden. Treibende Kraft für die Skulptur war einst ein Stadtbaurat Friedrich Beichel: ein Teil der Legende sagt, „die Rothaut“ solle auch an die verschwitzten und rußgeschwärzten Gesichter der Bewohner des einstigen Arbeiterviertels erinnern. Selbstredend bietet eine kleine Brauerei direkt am Brunnen ein eigenes „Indianer Bock“ an, mit zwölf Prozent Stammwürze. 1907 bereits wurde in Karlsruhe erstmals ein eigener Indianerclub genannt. Heute existieren noch die Vereine Indianerfreunde Karlsruhe und der Westernclub Dakota 1948.

Über das Ende eine Mythos

Auch Peter Pretsch ist, wenn man so will, „ein Südstadtindianer“. Als Kind kam er Anfang der 1960er Jahre aus der damaligen DDR in die Karlsruher Südstadt – und habe sich, wie er erzählt, während der Schulzeit über Jahre im Fasching „als Indianer verkleidet und sämtliche Karl-May-Bücher verschlungen“. Gemeinsam mit dem Kurator der Ausstellung räumt der Leiter des Karlsruher Stadtmuseums nun mit einem Mythos auf: Über Jahrzehnte hatte sich die Legende in den Erzählungen der Stadtbewohner gehalten, in den 1880er Jahren des vorletzten Jahrhunderts hätten „über Monate hinweg“ aus den USA eingereiste Indianer auf dem Werderplatz kampiert. Dafür konnten weder Pretsch noch der Kurator der Ausstellung, Kevin Sternitzke, Belege finden. Es scheint eher ein Auswuchs vieler einstmals durch Karl May ausgelöster und verklärender Indianergeschichten zum Ende des 19. Jahrhunderts zu sein.

Auch im Badischen Landesmuseum, das im Karlsruher Schloss residiert, möchte man mit „Klischees und Wunschvorstellungen“ am liebsten aufräumen. Der am-tierende Schlossherr, Museumsdirektor Eckart Köhne, kann dabei – wie auch der Kurator der Landesausstellung „Cowboy und Indianer“, Andreas Seim – auf eine eigene „bewegte Cowboy-und-Indianer-Kindheit“ zurückblicken. Seim, Mitarbeiter im Referat Volkskunde, war es ein besonderes Anliegen darzulegen, „welche Bilder sich die Deutschen vom Sujet Western machen“. Deshalb trägt die Präsentation in seinem Haus auch bewusst den Untertitel „Made in Germany“, und verweist etwa auf Sprachgut in Sätzen wie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“. „Mit der Ausstellung ,Cowboy und Indianer‘ betrachten wir eigentlich uns selber“, sagt Seim. Auf ihn geht die Idee mit den beiden Indianerausstellungen zurück – er konnte dabei die Kollegen vom Stadtmuseum für die Präsentation lokaler Aspekte gewinnen.

Ein Kostüm von Winnetou-Pierre Brice

Natürlich tauchen da alle die Utensilien auf, die Alt und Jung an der Geschichte der Indianer fasziniert: etwa ein Original-Filmkostüm von Pierre Brice aus dem Jahr 1962 als Teil des Filmepos „Schatz im Silbersee“ – dazu historischer Federschmuck aus der Zeit um 1900. Auch Filmausschnitte aus Stummfilmen der 1930er Jahre werden gezeigt oder Plastik-Colts und Karnevalskostüme sowie Elastolin-Figuren der Vorkriegszeit – auf neuere Exponate verweist Kurator Andreas Seim: bis 1974 in Westdeutschland von Kindern gehortete Miniaturfiguren seien in der damaligen DDR produziert wurden, bevor in Nürnberg eine Firma namens Playmobil an den Start ging. Andreas Seim möchte mit den mehr als 200 Exponaten zudem „Erinnerungswerte bei älteren Besuchern wecken“. Für Kinder und Familien ist es gleichzeitig „eine Mitmach-Ausstellung“.

Claudia Binswanger, Co-Kuratorin der Landesausstellung im Schloss, weist freilich auf Kehrseiten des Ende des 19. Jahrhunderts begründeten Indianerkults hin. In der über Monate hinweg von 1890 bis 1891 durch Deutschland tourenden „Buffalo-Bill-Show“ seien „die Indianer überwiegend negativ dargestellt worden“. Rund 40 000 der damals 80 000 Bewohner von Karlsruhe, so wird geschätzt, hatten die Show besucht. Bereits im Oktober 1890 war Buffalo Bill mit 200 Darstellern, darunter echte Indianer, auch in Stuttgart. Erste „Wildwestvereine“ der 1930er Jahre hätten im Grunde „die Kostüme eines deutschen Indianertyps“ getragen, sagt Binswanger. Andreas Seim ergänzt, die „Indianerbegeisterung in der deutschen Kultur“ sei bis heute haften geblieben – und auch eine „Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag“.

Ausstellung kommt bei Besuchern gut an

Die Begeisterung für das Thema ist bei den Ausstellungsmachern mit Händen zu greifen: Die Museumschefs Köhne (Landesmuseum) und Pretsch (Stadtmuseum) und die Kuratoren Andreas Seim, Kevin Sternitzke und Claudia Binswanger nahmen selbst am Faschingsumzug im Februar teil: verkleidet „als Cowboy und Indianer“. Selbstredend werde auch das Museumsfest am Schloss im Mai „ganz im Zeichen des Wilden Westens“ stehen, sagt der Südstadtbewohner Andreas Seim. In den ersten vier Wochen hatte die Indianerausstellung im Schloss übrigens so viele Besucher wie die letztjährige Schau zu Stadtgründer Carl-Wilhelm in drei Monaten . . .