Mit den Augen reisen? Die neue Ausstellung des Esslinger Kunstvereins erinnert mit fotografischer Opulenz an die Zeit, als Ferntourismus noch fast ausschließlich in Hochglanz-Folianten stattfand – eine Zeit, die vielleicht bald wiederkommt.

Esslingen - Das vielleicht witzigste Kunstwerk in der neuen Ausstellung des Esslinger Kunstvereins geht so: Kleine, sehr kleine oder mittelgroße Globusscheiben hängen an der Wand, das Erdenrund zweidimensional und vielfältig vervielfältigt zu flachen Kugelschwärmen gruppiert oder einsam einzeln ausgesetzt – durchaus auch in anderen Räumen als dem eigentlich der Arbeit gewidmeten. Die ganze Welt – ein Migrant; genauer: viele Migranten. Denn keines dieser Welt-Bilder ist mit einem anderen identisch. Da zeigen sich in der kartographischen Zeichnung ganz neue Kontinentaldriften, ungeahnte Ballungen von Landmassen, gedehnte oder geschrumpfte Erdteile, verdrehte Halb- und Ganzinseln, verschobene Größenverhältnisse und Proportionen: die Mittel der Karikatur, angewandt auf Geographie und Erdgeschichte. Darin bekundet sich die ganz eigene Renitenz des Künstlers Guido Nussbaum gegen die Welt, so wie sie ist; die Welt als scheinbar runde Sache, deren natürliche Gegebenheiten überwölbt sind von politischen Grenzen, von ideologischen Projektionen, wo Zentrum und wo Peripherie zu sein hat.