Plötzlich ist das Kreishaus in Ludwigsburg landesweit bekannt. Die Künstlerin Katrin Groshaupt wundert sich über den Hype um ihre Phallus-Skulpturen aus Ton – die ursprünglich einmal Seegurken waren.

Ludwigsburg - Wahrscheinlich hätten 99 Prozent der Besucher des Landratsamtes sie nie bemerkt, wenn nicht ein Mitarbeiter ein Bild in den sozialen Netzwerken gepostet hätte: Sieben männliche Geschlechtsteile aus Ton, die auf den Ebenen 6 und 9 des Kreishauses stehen. Doch jetzt berichten die Landesschau, Presseagenturen und – natürlich – die „Bild“-Zeitung über die angebliche „Penis-Schau“.

 

„Das ist vollkommen übertrieben und verzerrt“, sagt Andreas Fritz, der Pressesprecher. Er weiß, wovon er spricht: Denn direkt vor seinem Büro stehen fünf der sieben glasierten Tonarbeiten, relativ unauffällig am Geländer. Manche erinnern an Kondome mit bunten Noppen. „Ich habe sie zuerst für Gurken oder Kakteen gehalten“, witzelt der Sprecher von Landrat Rainer Haas, der plötzlich mit ungewöhnlichen Medienanfragen konfrontiert ist.

Die Künstlerin sagt: Ich will nicht provozieren

Bleiben wir bei den unerotischen Fakten: Der Kultur- und Kunstkreis Ditzingen hat wie schon oft im Landratsamt ausgestellt, insgesamt gut 100 Bilder, Skulpturen und Installationen. 30 Ditzinger Künstler sind dabei, darunter auch Katrin Groshaupt. Doch für die meisten Werke interessieren sich nur wenige Experten.

Was hat sich die 59-jährige Künstlerin dabei gedacht? „Ich wollte auf das Thema Safer Sex hinweisen“, sagt die Ditzingerin, die als Mutter von vier Kindern seit Jahrzehnten kleinere Ausstellungen in der Region hat. Die Penisse standen schon in Leonberg bei der Langen Kunstnacht und im Ditzinger Rathaus. „Nur dort hat sich eine einzige Frau einmal darüber aufgeregt“, sagt Groshaupt. Sonst blieb das Erregungspotenzial nahe der Nulllinie. „Ich will nicht provozieren“, meint sie. Gerade weilt sie in Leipzig, wo eine ihrer Skulpturen in einer Ausstellung von Yoko Ono zu sehen ist, der Witwe des ermordeten Beatles John Lennon.

Ist das Kondom der Aufreger?

Ob man sich dort auch über männliche Geschlechtsteile in Ton aufregen würde? „Vielleicht ist es das Kondom, das habe ich neu dazugelegt“, meint Groshaupt. Und bei den Mitarbeitern im Kreishaus wird diskutiert, ob das Exponat ausgerechnet im Fachbereich Asyl richtig platziert ist – wo Menschen aus anderen Kulturkreisen ein- und ausgehen. Der Pressesprecher Andreas Fritz liegt jedenfalls mit seiner Gurken-Assoziation übrigens gar nicht so falsch. „Ursprünglich habe ich die Skulpturen 2014 für ein Unterwasserprojekt als Seegurken getöpfert“, meint die Künstlerin. Na also! Erst für spätere Ausstellungen wurden sie zu Penissen – jetzt auch mit Kondom.

Richtig genervt ist übrigens Dieter Schnabel, der Vorsitzende des Kultur- und Kunstkreises Ditzingen. „Die Kunst ist frei“, brummt er am Telefon. Eine Jury habe die Werke ausgewählt. „Wir haben keine Sekunde über die mögliche Wirkung nachgedacht“, sagt er, „es ging nur um die Qualität der Kunst.“ Ansonsten sollten doch bitte die Medien das nicht „hochjubeln“, sondern lieber recherchieren, gibt er kurzangebunden mit auf den Weg.

Kinder fragen: Mama, was machst du da?

Die Künstlerin ist jedenfalls ziemlich überrascht über den Hype. „Ich stehe dazu, die Figuren sind auch nichts Anrüchiges“, meint sie, „Safer Sex ist ein wichtiges Thema.“ Ihre Kinder haben sie, das räumt sie ein, aber schon gefragt: „Mama, was machst du da?“ Sie fänden es aber lustig.

Der Vize-Sprecher des Landrats, Markus Klohr, nimmt es ebenfalls mit Humor. Und freut sich über das plötzlich so große Interesse an den Kunstausstellungen im Landratsamt: „Ich bin ein großer Fan dieser Reihe, die es schon über 20 Jahre gibt.“ Bis 14. Mai sind sie noch zu sehen. Katrin Groshaupt plant aber schon das nächste Projekt: „Sex, Drugs and Rock 'n' Roll.“ Beim ersten Wort dieses Titels dürften die jetzt landesweit bekannten Ton-Penisse wieder eine prominente Rolle spielen.

Immerhin, so findet mancher Kommentator auf Facebook, passen ausgestellte Penisse doch irgendwie zu Ludwigsburg: Denn aus der Barockstadt kommt auch der Erfinder von Viagra. Mancher fragt sich allerdings auch, ob möglicherweise sogar Steuergelder verschwendet werden – wobei die Ausstellung des Kultur- und Kunstkreises Ditzingen fast nichts kostet.