In Schloss Waldenbuch sind Alltagsgegenstände von Sterbebegleitern ausgestellt. Den Ehrenamtlichen hilft ihr Glaube an ein Leben danach.

Waldenbuch - Klaus Marek hat eine der ihm zugedachten Vitrinen im Museum der Alltagskultur mit vier Tafeln Schokolade bestückt: „Mich auf den anderen Menschen einzustellen, seine Bedürfnisse zu erspüren, insbesondere in der letzten Sterbephase, kostet Kraft“, schreibt er im Begleittext zum als „Nervennahrung“ deklarierten Exponat der Ausstellung „Mein Stück Alltag“: Im Schloss Waldenbuch sind bis zum April nächsten Jahres 17 Objekte zu sehen, die ehrenamtlichen Sterbebegleitern und ihren Klienten dabei helfen sollen, die letzten Tage und Stunden so erträglich wie möglich zu verbringen. „Ich habe der Wirtschaft gedient, aber wenig dem Leben selbst“, sagt Marek, der ehemalige Werksleiter, wenn man ihn fragt, weshalb er dieses Ehrenamt bei den Tübinger Hospizdiensten ausübt.

 

Eines Nachmittags sei er zu einer sterbenden Frau ins Altenstift gerufen worden, die niemanden hatte, erzählt Klaus Marek. Er habe sich an ihr Bett gesetzt: „Man merkt, es geht zu Ende.“ Der Atem und der Pulsschlag würden sich verändern. Irgendwann habe die sterbende Frau ihn angesehen: „Da war ein totaler Frieden“, sagt Marek, „und dann ist da dieser Sog, wo sie aus dem jetzigen Leben ins nächste gesaugt wird – oder wie auch immer“. Das Sterben, sagt er, sei ein Weg „durch einen Engpass“. Um ihn zu erleichtern, bringt er manchmal Bücher ans Sterbebett mit: In eine weitere Vitrine im Museum der Alltagskultur hat er ein dünnes und ein dickes Buch gelegt: „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry und einen Hermann-Hesse-Gedichtband. „Das weckt Erinnerungen bei den Kranken, sie erzählen ihre Geschichten, und diese leben dann in uns weiter“, erklärt er im Begleittext. Sterbebegleitung sei eine bereichernde Erfahrung, sagt er am Telefon. Aber sie endet mit dem Tod: „Dann ist die Kommunikation auf null gestellt“, sagt Klaus Marek, „dann kommt die Leichenblässe, das geht rucki-zucki.“ Für ihn ist sie nur ein Teil einer Transformation: „Ich bin der Überzeugung, dass es nachher irgendwie weitergeht. Es kann unmöglich vorbei sein.“

Taschentücher für traurige und freudige Tränen

Das sieht Renate Schlegel genauso. Die ehemalige Altenpflegerin hat ein verwittertes Fenster aus einem Abbruchhaus ins Waldenbucher Schloss bringen lassen. Es symbolisiert ihr Abschiedsritual: Wenn der Tod eingetreten ist, öffnet die Sterbebegleiterin ein Fenster. „Die Vorstellung ist, dass Körper und Seele sich voneinander trennen“, sagt sie. „Eine tolle, eine tröstliche Vorstellung“ sei es, wenn der unsterbliche Teil wie durch ein geöffnetes Fenster entweiche.

Renate Schlegel hat eine Vitrine mit einem Waschlappen und Massageöl bestückt und eine andere mit Wattestäbchen und einer kleinen Flasche Coca-Cola. Es gehe bei diesen Utensilien um Erleichterung für den Sterbenden, schreibt sie: „Die speziellen Mundpflegestäbchen tränken wir mit Tee, Wasser, Kamille, immer unter Beachtung der persönlichen Vorlieben. Das kann dann auch mal Bier, Cola oder Wein sein.“ In eine weitere Vitrine hat sie einen Tuchspender aus dem Drogeriemarkt gestellt: „Die Taschentücher brauchen wir sowohl für traurige als auch für freudige Tränen“, schreibt sie. Auch in den letzten Tagen komme es mitunter zu lustigen Begebenheiten, die bei der Sterbenden und ihrer Begleitung herzliches Lachen auslöse, erzählt Schlegel am Telefon: „Trauriges und freudiges Weinen liegen eng beieinander.“ Die Akzeptanz der Endlichkeit erweitere das Bewusstsein, sagt sie – und dass ihr Glaube fest sei.

Öffnungszeiten: Bis 3. April 2022 im Schloss Waldenbuch. Dienstag bis Samstag, 10 bis 17 Uhr; Sonn- und Feiertag, 10 bis 18 Uhr.