Unermüdlich ist der Weinstädter Karl Ulrich Nuss in seinem Schaffen. Anlässlich seines runden Geburtstags zeigt der Bildhauer im Beutelsbacher Stiftskeller seine jüngsten Werke. Am Sonntag ist Vernissage.

Seinen 80. Geburtstag hat Karl Ulrich Nuss Anfang der Woche gefeiert. An diesem Sonntag eröffnet der Strümpfelbacher aus diesem Anlass eine Ausstellung in seiner Heimatstadt. Doch wer zu seinem runden Ehrentag einen Querschnitt seines Werks über die zurückliegenden Jahrzehnte erwartet, kennt den unruhigen Schaffensgeist des Bildhauers und berühmten Sohns Weinstadts nicht gut genug. Ein Grund mehr, die Ausstellung im Beutelsbacher Stiftskeller zu besuchen. Aktuelle Arbeiten vor allem der vergangenen beiden Jahre sind dort zu sehen. Es sei das erste Mal, dass er seine Maskenfiguren zeige, sagt Nuss, der unserer Zeitung vorab Einblicke gewährt hat.

 

Neben Bronzestatuen, für die er bekannt ist, präsentiert der gebürtige Strümpfelbacher auch Plastiken aus Gips. „Die Mischung aus Gipsarbeiten und Bronze hat mich gereizt“, erklärt er. Auf weiß gestrichenen Stelen stehen die Maskenköpfe auf beweglichen Holzplatten. Sie behutsam zu drehen, um die Köpfe ringsherum betrachten zu können, ist ausdrücklich erlaubt. Und nur so lassen sich die teils vielgesichtigen Masken in ihrer Gesamtheit wirklich erfassen.

Ein Künstler mit Schalk im Nacken

Auge in Auge ist der Betrachter dabei mit Gesichtern, die allesamt eigenwillige Physiognomien besitzen. Sie ähneln menschlichen Antlitzen und sind doch verfremdet. Einen seiner „Kopffüssler“ hat Nuss einfach auf selbigen gestellt. So lässt Nuss den Betrachter an seiner auch mit 80 Jahren offensichtlich unerschöpflichen Kreativität Anteil nehmen. Dabei blitzt aus den Masken der Schalk hervor, der ihrem selbst oft spitzbübisch dreinblickenden Erschaffer auch oder gerade im hohen Lebensalter im Nacken sitzt. Ob er dabei etwas von seiner eigenen Maskierung preisgebe, das dürfe jeder Betrachter für sich sehen, sagt Nuss knitz.

Wie ist er auf das Thema Masken gekommen? „Das ist ein uraltes Thema, das als Maskierung, Verfremdung, Fratze in vielen Kulturen vorkommt.“ Auch wenn viele unter dem Einfluss der Coronapandemie bei dem Begriff zunächst an Mund-Nasen-Schutz denken, hätten seine Werke so gar nichts damit zu tun. Unter den gezeigten Skulpturen gebe es nur eine einzige, die Bezug zu einem aktuellen Thema habe, sagt Nuss und deutet auf eine Bronzefigur, die fragend in drei Richtungen blickend auf drei Beinen steht und zweifelnd ihre drei Arme erhoben hat. „Denken, erkennen, deuten“ hat Nuss die Plastik betitelt, mit der er, wie er erläutert, das Thema Gender aufgegriffen habe und die dahinterstehenden Fragen: Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Wo bin ich zugehörig?

Zu seinen Lieblingsskulpturen zählen andere. Bei seinem „Maskenpaar II“ hat Nuss eine weibliche, armlose Figur einer männlichen auf Schulter und Knie gesetzt, die ebenso auf Kopf, Torso, Beine und Füße reduziert ist. Über ihre Bedeutung darf sich der Betrachter Gedanken machen. Zum Verständnis der „Geheimen Sprache der Masken“, so auch der Titel der Ausstellung, gibt Jörg Hennig Kokott, mit dem Nuss eine bald 50 Jahre lange Freundschaft verbindet, den Vernissage-Besuchern eine Einführung über den Begriff der Maske, deren Historie und mythologische Rolle. Zudem ist seine Abhandlung im Ausstellungskatalog nachzulesen.

Darin geht er auch auf die Verbindung von Maske und Tod ein. In Nuss‘ Masken-Ausstellung ist der Tod in drei Werken präsent. Ihnen hat der Bildhauer einen besonderen Platz gegeben. Erhöht stehen sie auf der Bühne des Stiftskellers, wo sich ihre dunklen Bronzeformen vor der weißen Leinwand im Hintergrund deutlich abheben. „Mit dem Tod setzen sich die meisten ja nicht gerne auseinander. Dabei ist er in unserem Leben das absolut Sicherste“, kommentiert Nuss die drei Plastiken, die sich von den übrigen gezeigten Skulpturen nicht nur thematisch, sondern auch durch ihre Feingliedrigkeit unterscheiden. Eine von ihnen, „Der Tod und das Mädchen“, ist Nuss‘ zweite Lieblingsfigur der Ausstellung.

Warum der Weg nach Schwäbisch Gmünd lohnt

Wer sich für weitere Facetten von Nuss Schaffen interessiert, für den bietet sich eine zweite Werkschau Bildhauers an. Von Mitte Februar an sind in der Galerie im Prediger in Schwäbisch Gmünd unter dem Titel „ZOOunLOGISCH“ einige seiner Tier-Mensch-Figuren zu sehen ist. Dabei hat Nuss die Stadt als Ort für eine zweite Ausstellung zu seinem Geburtstag nicht zufällig gewählt. Denn wie sein Vater Fritz Nuss, der an der dortigen Hochschule für Gestaltung gelehrt hat, ist auch Karl Ulrich Nuss mit Schwäbisch Gmünd verbunden: Er machte in Schwäbisch Gmünd seine Ausbildung zum Ziseleur und legte dort seine Gesellenprüfung ab. Zudem übernahm er für acht Jahre die Professur seines Vaters im Anschluss an dessen Hochschultätigkeit.