Gutes Design schafft Lebensqualität und ist ein Wirtschaftsfaktor. Preisgekrönte Produkte aus 30 Jahren zeigt das Design Center jetzt im Haus der Wirtschaft.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Design ist keineswegs nur schöner Schein: Es schafft Mehrwert. Wie dieser im besten Fall aussieht, zeigt das Design-Center Baden-Württemberg im Haus der Wirtschaft jetzt in einer Ausstellung. Sie lässt die Gewinner des international renommierten Design-Preises Focus Open aus 30 Jahren Revue passieren. Vom Elektroschraubenzieher bis zur Gerätereinigungsanlage für die Industrie, vom Lehrspielzeug für Kinder bis zum Feuerwehrhelm ist alles vertreten, was im privaten und beruflichen Alltag das Leben erleichtern kann.

 

Der Dino unter den Handys

Es ist eine Zeitreise, die 1991 mit einem Gerät beginnt, „das auf Reisen oder im Urlaub den ständigen Kontakt mit der Firma oder der Familie ermöglicht.“ So begründete die Jury damals ihr Votum für den den ersten Preis. Er ging an den Dino unter den Mobiltelefonen, dem Micro T.A.C. von Motorola mit beleuchteten Tasten und Speicherplatz für 60 Telefonnummern. Besonders wichtig war der Jury, dass dieses Gerät die Lebensqualität erhöhe. Und das ist ein Merkmal, das jedes gute Design auszeichnet. „Es ist kein Selbstzweck, sondern es soll einen Mehrwert schaffen“, definiert dies die Leiterin des Design-Centers Christiane Nicolaus, die selbst viele Jahre als Designerin in einer großen Firma tätig war. „Es geht nicht nur Gestaltung, sondern um Funktionalität.“

Ultraleichter Rucksack aus Papier

Die ausgezeichneten Produkte in der Ausstellung überzeugten die Jury in zwölf Kategorien. Währen drei Jahrzehnten haben sich die Gewichtungen jedoch verschoben. Heute stehen Nachhaltigkeit und ökologische Aspekte ganz oben auf der Liste. So gewann 2020 ein ultraleichter Tagesrucksack aus einem speziellen, wasserundurchlässigen Kraft-Papier und mit veganem Leinenfutter. Innen bietet er Platz für ein Laptop und seine Größe lässt sich mit Riemen verstellen. Für jedes verkaufte Exemplar geht eine Spende an ein Aufforstungsprojekt.

Seit 15 Jahre etwa bereichern die Industrie-Designer verstärkt den medizinischen Bereich. Das beginnt damit, dass in der Zahnarztpraxis nicht mehr alles weiß ist und wenn ein Chirurg mehrere Stunden lang am OP-Tisch steht, ist er für ein ergonomisch optimal geformtes OP-Besteck dankbar. Menschen mit einem Handicap sind heute ebenfalls ins Blickfeld der Industriedesigner gerückt. 2018 wurde ein Rollstuhl ausgezeichnet, der die Technik des E-Bike übernimmt. So wird aus ihm mit wenig Kraftaufwand und ohne fremde Hilfe ein Elektrofahrzeug, das selbst auf Schotter vorwärts kommt. Und 2020 ging der Sonderpreis an eine Waschmaschine für Blinde. Sie arbeitet mit akustischen Signalen und hat eine Braille-Beschriftung.

Produkte anders denken

„Jedes Projekt braucht eine Initialzündung, jemanden der eine Vision und Vorstellung hat, wie man sie vorantreiben kann“, betont Christiane Nicolaus. Das Stichwort dabei ist „Thinking out of the box“, also die eigenen Denkgewohnheiten hinter sich zu lassen. „Man darf nicht in Produkten denken, sondern muss sich überlegen: Was will ich erreichen?“ Ein Beispiel ist der Dyson-Ventilator, der 2010 ausgezeichnet wurde und kein Ventilator mit Rotorblättern ist, sondern durch einen Reifen fast lautlos kühle Luft liefert. Ebenfalls ein Erfolgsmodell ist das unscheinbare Speisegeschirr von Kahla. Mit dem an einer Seite hochgezogenen Rand als Griff leistet es in der Gastronomie gute Dienste und die Unterseiten der Geschirrteile sind mit einem speziellen Material ausgestattet. So rutscht keine Tasse mehr vom Unterteller. Manchen Produkten ist es auf den ersten Blick nicht anzusehen, was sie leisten.

Design als Wirtschaftsmotor

„Je übersättigter die Märkte sind, desto wichtiger wird gutes Design mit innovativem Charakter“, betont Christiane Nicolaus. „So kann ein Produkt sogar günstiger produziert werden.“ Die Aufgabe des Design-Center Baden-Württemberg ist deshalb eine wirtschaftliche: Hier sollen Gestalter und Unternehmen zusammengebracht werden, um mit neuartigen, benutzerfreundlichen und nachhaltigen Produkten auf dem Weltmarkt zu brillieren.

Die Idee für den landeseigenen Design-Preis Focus Open hatte 1988 der frühere Ministerpräsident Lothar Späth. „In einer Zeit, in der an Internet und globale Vernetzung noch nicht zu denken war, hatte er die Vision, die Welt mit ihren Produktinnovationen nach Stuttgart zu holen - natürlich auch mit dem Hintergedanken, der Welt zu zeigen, was Baden-Württemberg in Sachen Innovationskompetenz drauf hat“, sagt Christiane Nicolaus. Jetzt kann die Öffentlichkeit die große Variationsbreite dieser Ergebnisse aus drei Jahrzehnten bestaunen und manches Produkt wird dabei einen Aha-Effekt beim Publikum auslösen.

Die Designpreis-Ausstellung ist vom 22. September bis zum 28. Januar 2022 im Haus der Wirtschaft (Willi-Bleicher-Str. 19) an Werktagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.