Der Heimatkreis und die Sudetendeutsche Landsmannschaft präsentieren die Ausstellung „Neue Heimat in Weil im Dorf“.

Der Ukrainekrieg ist auch deshalb ein Augenöffner, weil er vor Augen führt, wie schnell man seine Heimat verlieren kann. Mit der neuen Ausstellung im Bezirksrathaus beleuchten Edeltraud John und ihr Team nun das Thema Flucht von vielen Seiten: Was führte die Menschen über die Jahre in den Stadtbezirk, wie wurden sie aufgenommen und wie hat sich Weilimdorf mit ihnen verändert?

 

Für den Rundgang sollte man ausreichend Zeit mitbringen oder, besser noch, mehrere Besuche einplanen, denn das Material ist umfangreich. So umfangreich, dass Edeltraud John noch gar nicht alles in der aktuellen Ausstellung unterbringen konnten: „Dazu machen wir dann auch noch ein Heimatblatt“, erläutert sie.

Einen Teil der Ausstellung machen die Roll-Ups der sudetendeutschen Landsmannschaft aus, deren Weilimdorfer Ortsgruppe im kommenden Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiert: In ihnen kann man die Geschichte der deutschen Minderheiten in der Tschechoslowakei nachlesen, sowie ihre Vertreibung nach Kriegsende. Andere Flüchtlingszüge kamen etwa aus Bessarabien, der Batschka oder dem Banat und werden in den Plakaten von Edeltraud John dargestellt. Einige Tafeln zeigen aber auch Weilimdorf während des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach: Zu sehen sind Kinderzeichnungen von Hilde Adler vom Alltag im Luftschutzbunker, sie hat aber auch den Abschied vom Vater und von den Brüdern festgehalten, die nach dem Heimaturlaub wieder an die Front zurück mussten. Außerdem liest man von der Scheinanlage auf dem Grund der früheren Domäne Bergheimer Hof, die zwar der Innenstadt einige Bombenabwürfe ersparte, im Gegenzug aber Tod und Verderben nach Weilimdorf brachte. Und noch immer kommen bei Bauarbeiten ab und zu Blindgänger ans Tageslicht.

Viele Siedler fanden den Tod

Ein anderer Ausstellungsteil beleuchtet, wieso sich lange davor deutsche Siedler auf den Weg gen Osten gemacht hatten: Viele fanden hierzulande kein Auskommen mehr und folgten den Aufrufen, die ihnen ein besseres Leben nach dem Wiederaufbau der nach Ende der Türken-Besatzung völlig verheerten und entvölkerten Landstriche versprachen. Viele Siedler fanden dabei den Tod, wie eine Redensart reflektiert: „Dem ersten der Tod, dem zweiten die Not, dem dritten das Brot.“ Und dann kamen die Weltkriege und nicht nur die Angehörigen der deutschen Minderheiten mussten sich erneut auf den Weg machen. Wirklich willkommen waren die Neuankömmlinge auch hier nur selten, die Alteingesessenen hatten zwischen Hungerwinter und Trümmerräumen genug eigene Probleme, auch davon berichtet die Ausstellung: „Ich wollte ja auch zeigen, auf welche Situation die Leute in Deutschland trafen“, sagt Edeltraud John. Vor allem die Raumnot war groß, sodass bald ganze Viertel neu gebaut werden mussten: Giebel gehört dazu.

Besonders spannend lesen sich die Biografien in der Ausstellung, weil sie zeigen, wie es nach dem Einschnitt der Fluchterfahrung weiterging. So berichten sie etwa vom Armenier Garbis Terzian, der erst aus der Türkei nach Griechenland floh, 1954 nach Giebel kam und hier bis ins Jahr 2000 Schuhe reparierte. „In seiner Werkstatt hing eine Karte von Argentinien an der Wand. Dorthin waren seine Mutter und sein Bruder ausgewandert.“ So wie in seinem Fall hat die menschliche Fähigkeit zum Neubeginn das Weilimdorfer Leben nachhaltig bereichert.

Edeltraud John war mitten in der Ausstellungsplanung, als sie die ersten Bilder aus der Ukraine erreichten: „Das alles hat mich sehr mitgenommen”, sagt sie.

Und so nimmt man von dieser Ausstellung mit, dass es immer falsch ist, wenn Menschen wie Spielfiguren herumgeschoben werden. Und dass Heimat umso wichtiger wird, je mehr man im Begriff ist, sie zu verlieren.

Info: Die Ausstellung „Neue Heimat in Weil im Dorf“ ist bis 21. Juli im Weilimdorfer Bezirksrathaus, Löwen-Markt 1, zu sehen. Öffnungszeiten: Montags bis mittwochs von 8.30 bis 16 Uhr, donnerstags von 8.30 bis 18 Uhr und freitags von 8.30 bis 13 Uhr.