Geschäftsfrau, Gegnerin der Rassentrennung und anspruchsvolle Leserin: Eine Schau in Speyer schreibt den Mythos der Hollywood-Sexbombe Marilyn Monroe um.

Speyer - Legenden sind die Summe aus Schönheit und Tod. Die Gültigkeit dieser Formel ließe sich an Lady Diana, an Grace Kelly oder an Evita überprüfen. Bewundert und beneidet zu Lebzeiten, war es nicht zuletzt das tragisch-frühe Ende, das den Ruhm dieser Frauen für die Ewigkeit begründete. Doch keinem Medienstern hat das eigene Verlöschen so viel überzeitliche Strahlkraft verliehen wie Marilyn Monroe.

 

An der Ikonenwand der Alltagsmythologien nimmt die Leinwandgöttin aus „Manche mögen’s heiß“ und „Blondinen bevorzugt“ bis heute einen der prominentesten Plätze ein. Folgt man dem populären Narrativ ihrer Karriere, war der ungeklärte Tablettentod 1962 die bittere Quittung für den viel zu schnellen Aufstieg. Ein Bild, das zum Beispiel Elton Johns Marilyn-Elegie „Candle in the Wind“ verbreitet. Aber war es wirklich die gnadenlose Hollywoodtretmühle, die den Megastar der 50er Jahre vorzeitig verschlissen hat?

Mehr als Kurvenspiele

Marilyn als allzu zerbrechliche, naive Venus – mit diesem Opferklischee möchte das Historische Museum der Pfalz in Speyer nun aufräumen. Vierhundert Fotos, Filmdokumente und biografische Objekte, die meisten davon aus der Privatsammlung eines Mannheimer Marilyn-Enthusiasten, schreiben die Geschichte der als Norma Jeane Mortenson getauften Jahrhundertdiva um. Hinter dem globalen Sexsymbol der 50er Jahre, das sich von brünett zu platinblond umgefärbt hat, entdeckt die Schau eine ganz andere Frau. Eine, die nicht nur auf Hinternwackeln und andere feminine Kurvenspiele vertraute, sondern auch den Mut besaß, anzuecken.

Gewiss, diese Erkenntnisse sind nicht so neuartig, wie man in Speyer glaubt. Auch der Versuch, Marilyn in einer Art Rückprojektion zur Feministin zu machen, greift ein bisschen zu weit aus. Eine Metoo-Debatte angestoßen hat sie jedenfalls nicht. Trotzdem, entschlossen und unabhängig war sie.

Hartes Training

Mit dreizehn flog sie gleich zweimal von der Schule, weil sie Männerjeans getragen hatte. Keine drei Jahre später heiratete sie ein erstes Mal. Was sich heutzutage nach arrangierter Zwangsehe anhört, war in Wahrheit ein Schritt in die Freiheit. Denn damit endete für die uneheliche Tochter einer Filmcutterin das Herumgeschubstwerden zwischen Pflegefamilien und Kinderheimen.

Inmitten von Postkarten und Bitte-recht-freundlich-Schnappschüssen aus dem privaten Umfeld hängt auch ein Plakat von Jean Harlow, jener unverschämt erotischen und früh verstorbenen Hollywood-Berühmtheit aus den 30ern, die zur Blaupause für Marilyns eigene Biografie werden sollte. Mit hartem Körpertraining, Haarefärben und Schönheitsoperationen näherte sie sich dem Idol an. Vor allem die frühen Exponate unterstreichen, mit welcher Konsequenz schon der Teenager auf eine Karriere in der Glamourbranche hingearbeitet hat. Erstaunt stößt man auf gar nicht so ungeschickte Modezeichnungen von der Hand der jungen Marilyn.

Im Raubtierdschungel

Weder ist sie unbedarft in das System Hollywood hineingetapst noch stand sie seiner ökonomischen Brutalität wehrlos gegenüber. Als die Filmbosse ihr nach den ersten Kassenschlagern das entsprechende Stück vom Tantiemenkuchen verweigerten, gründete sie kurzerhand eine eigene Produktionsfirma.

Und sie traute sich noch viele andere Wirklichkeitsrollen zu, nicht nur die der Geschäftsfrau im Raubtierdschungel der Traumfabrik. Die Schauspielerin war auch eine engagierte Gegnerin der Rassentrennung. Ihrem Einsatz verdankt die Jazz-Sängerin Ella Fitzgerald die Möglichkeit, als erste schwarze Frau in einem renommierten, für Weiße vorbehaltenen Nachtclub aufzutreten. Und wie Bücher aus Monroes Bibliothek beweisen, hielt sich die bevorzugte Blondine der Nachkriegszeit mit Studien über Bürgerrechte und Kommunismus intellektuell auf dem Laufenden.

Nicht zu ernst, nicht zu trocken

Obschon der Rundgang, der auch viele Textdokumente aufblättert, ein inoffizielles, gleichsam ungeschminktes Marilyn-Porträt zeichnet, ist die Schau weder zu ernst noch zu trocken geworden. Auf 1000 Quadratmetern blinkt und glitzert es von überall her, nicht anders, als würde man in den fünfziger Jahren über den Hollywood-Boulevard flanieren.

Einen historischen Kinosaal haben die Ausstellungsmacher ebenso nachgebaut wie Marilyns Schlafzimmer, auf riesigen Leuchtkästen funkelt ein Luxus-Swimmingpool in der kalifornischen Sonne. Kostbare Star-Devotionalien füllen die Stand- und Tischvitrinen: Schmuck und Kosmetika, die weißen Lieblingssandalen und eine Reproduktion des mit Kristallsplittern gespickten Seidenkleides, in dem sie für John F. Kennedy „Happy Birthday Mr. President“ ins Mikrofon hauchte.

Weg vom Image

Da ist Marilyn plötzlich wieder das süße Sahnebonbon, das kichernde Komödienhäschen, die luxusverwöhnte Diamantenfreundin aus der Regenbogenpresse. Genau von diesem Image wollte sie um jeden Preis weg. Weswegen sie Hollywood den Rücken kehrte und nach New York ging, um bei dem legendären Schauspiellehrer Lee Strasberg, dem Begründer des Method Acting, Unterricht zu nehmen.

Die Neuausrichtung schien tatsächlich zu gelingen. Von Marilyns letztem Ehemann, dem Dramatiker Arthur Miller, stammt das Drehbuch zu „Misfits“ („Nicht gesellschaftsfähig“). Der Film gilt als ihr anspruchsvollster, aber es war der letzte vollendete. Ein Jahr später starb sie. Goodbye, Norma Jeane!

Info: Die Ausstellung ist bis 16. Juni im Historischen Museum der Pfalz in Speyer am Domplatz zu sehen, und zwar Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr.