Das Pariser Museum Branly zeigt wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts Menschen anderer Ethnien zur Schau gestellt wurden.

Paris - Noch immer streifen Löwen und Leoparden durch die Gehege des Hamburger Tierparks Hagenbeck. Eine Zeit lang gab es dort allerdings auch ganz andere Lebewesen zu bestaunen. Da zeigte der Zoounternehmer Carl Hagenbeck nämlich auch „wilde Menschen“, bei deren Anblick dem Publikum wohl ähnlich schauderte wie beim Anblick wilder Tiere. Im Jahr 1900 präsentierte der Impresario unweit des Giraffenhauses Ureinwohner der 1899 dem deutschen Reich teilweise einverleibten Inselgruppe Samoa. Zuvor hatte er an einem Sonntag im Berliner Zoo kleinwüchsige Nubier aus Ägypten ausgestellt. Mehr als 60 000 Neugierige strömten herbei – ein Kassenschlager.

 

Hagenbeck lag im Trend. Ob im Zirkus oder im Zoo, auf Jahrmärkten oder Völkerschauen: das Geschäft mit den Wilden florierte in Europa. Eine Ausstellung im Pariser Branly-Museum belegt es. Zwischen 1870 und 1930 verschleppten die Herren der Ersten Welt zur Freude von Ärzten, Wissenschaftlern, Künstlern oder auch schlicht schaulustigen Zeitgenossen eifriger denn je Bewohner der Dritten Welt.

Demagogen ergriffen die Gelegenheit

Politiker begrüßten die Ankunft der meist mehr dem Tierreich als der Menschheit zugerechneten Afrikaner, Indianer oder Aborigines – damals als Beweis der Überlegenheit westlicher Zivilisation und Rechtfertigung kostspieliger Kolonialpolitik. Forscher maßen Schädel und Gehirnumfänge, unterfütterten alte Evolutionstheorien mit neuen Zahlen. Demagogen ergriffen die Gelegenheit, dem Rassismus das Wort zu reden.

Vor allem aber brachten die Menschenzoos Geld. Mit dem Geschäft blühte der Betrug. Da wurde der behinderte Afroamerikaner William Henry Johnson als angebliches Bindeglied zwischen Orang-Utan und Homo sapiens präsentiert. Des Sprechens mächtig, durfte er vor Publikum nur grunzen. Hagenbecks Amazonen waren in Wirklichkeit in Hamburg geschulte Togolesinnen, die versprochenen Einblicke in fremde Kulturen nur Karikaturen. Erst 1930, als das Kino realistischere Einblicke in ferne Länder ermöglichte, erlahmte das Interesse an leibhaftigen Fremden.

Der Mensch zeigt gern auf andere

Grausliche Geschichte also, die Gott sei Dank vorbei ist? Keineswegs. Der aus Guadeloupe stammende Fußballer Lilian Thuram, der 1998 mit der Equipe tricolore die Weltmeisterschaft gewann und die Pariser Ausstellung leitet, hält die Neigung des Menschen, schaudernd auf andere zu zeigen, jedenfalls für ungebrochen. Die Völkerschauen von damals seien der Ausgangspunkt bis heute verbreiteter rassistischer Vorurteile, glaubt Thuram. Der Videokünstler Vincent Elka hat eine Filmcollage beigesteuert, die zeigt, wer heute alles als anders, wenn nicht als erschreckend anders gelten mag: Menschen mit Down-Syndrom, Rollstuhlfahrer, Übergewichtige, Roma, Homosexuelle oder auch Muslime.