In Ditzingen und Korntal-Münchingen stellen zwei Künstler aus, die viel gemein haben, darunter den Nachnamen. Doch während der eine viele Farben nutzt, konzentriert sich der andere auf eine Farbe.

Es ist reiner Zufall, dass mit Thomas Heger und Tim Stefan Heger jetzt zwei Künstler in Ditzingen beziehungsweise Korntal-Münchingen ausstellen, die nicht nur beide aus der Region sind und die gleiche Leidenschaft, den gleichen Beruf haben, sondern auch den gleichen Nachnamen. Die Männer berichten, den jeweils anderen und dessen Kunst zu kennen und zu schätzen, sich sogar schon mal persönlich getroffen zu haben. Gleichwohl: Es gebe mehrere Künstler mit Nachnamen Heger – sie verweisen auf Karl Heger oder Svetlana Heger. Zumindest schmunzeln lässt sie jedoch der Umstand der zeitgleichen Schauen in unmittelbarer Nachbarschaft.

 

So identisch Passion und Nachname aber auch sind, so verschieden ist das, was die zwei Hegers produzieren und nun ausstellen – der eine in der städtischen Galerie am Laien, der andere in der Galerie 4/1.

Der Blick aus der Ferne täuscht

Da ist Thomas Heger, der Grenzgänger, der verschiedene, starke Farben verwendet und dessen Werke sich in keine Schublade stecken lassen. „Ich bin froh, dass man mich nicht einordnen kann“, sagt der Stuttgarter. Denn sobald man etwas einordnen könne, klemme es an etwas, das man kenne. Er füge etwas zusammen, das es bisher nicht so gebe. „Ansichtssache“ heißt seine Schau mit rund 30 Werken, Malerei und Papierarbeiten. Es ist ein Querschnitt seiner Arbeit.

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Aus der Ferne betrachtet denkt man, dass der 60-Jährige, der auch Lehraufträge hat, abstrakte, gegenstandslose Flächenmalerei – auch in für ihn typischer Streifenform – schafft. Dass dem nicht so ist, sieht man, wenn man näher rangeht ans Bild: Winzigkleine Figuren, oft einzeln, mal in Gruppen, stehend, wandernd, durchbrechen die Flächen. „Die schlichen sich rein“, sagt Thomas Heger und lacht. Die Figuren seien aus dem Alltag gegriffen und würden eine kulissenhaft aufgebaute, nicht realistische Welt bevölkern. „Sie liefern eine Trivialität, weil es Leute sind, die überall rumlaufen können.“

„Ich fühlte mich eingeschränkt“

Entdeckt hat er sie allerdings in Stuttgart. Für seine Erklärung muss Thomas Heger ein wenig ausholen. In seiner Studienzeit stand die figürliche Malerei im Fokus. „Klassisch akademisch“ sei das gewesen – ihm jedoch zu klassisch. „Ich fühlte mich eingeschränkt, wollte lieber erfinden und Dinge aus dem Kopf zusammenfügen.“ Also abstrahierte er. Gegenstandslos sei seine Kunst allerdings trotzdem nicht gewesen.

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Dann kamen wieder Figuren ins Spiel. Im Rahmen eines Stipendiums am Bodensee anno 2003 beschäftigte er sich mit Steinen, sammelte unzählige – „unabsichtlich“. Und stellte fest, dass sie ein „wunderbarer Gegensatz“ waren zum Glas, das er in dieser Zeit ausnahmslos und in sämtlichen Variationen malte. Mit einem Eimer voller Steine kehrte er zurück nach Stuttgart. „Dort hatte ich aber keinen Bezug mehr zu ihnen“, erinnert sich Thomas Heger.

Er begann, Figuren zu malen, Stuttgarter, beiläufig sollten sie wirken. Unterm Strich habe er die Realität wiederentdeckt und sie eingestreut. „Trotz starker Kontraste versuche ich, die Bildwelt zusammenzuhalten“, sagt Thomas Heger. Für ihn hat Kunst etwa die Aufgabe, mehr Fragen zu stellen, als zu beantworten. Er denke oft über seine Kunst nach – und stolpere dabei über viel. „Es ist ein schöner Zustand der Unruhe, wenn ich nicht weiß, wohin die Reise geht.“ So komme auch Neues hervor.

Die gelbe Farbe mischt er selbst

Ähnlich sieht das Tim Stefan Heger. „Für mich ist eine Arbeit dann interessant, wenn sie auch für mich selbst etwas Überraschendes und Rätselhaftes hat, dem Betrachter Raum für eigene Bilder und neue Assoziationen öffnet“, sagt der Esslinger, der in Korntal-Münchingen aufgewachsen ist. Er zeigt in seiner Ausstellung mit dem Titel „stracks“ insgesamt etwa 40 Werke. Es sind Arbeiten auf Folie und Papier sowie Zeichnungen und Studien. Für diese kleinformatigen Arbeiten aus transparenten Schichten nutzt Tim Stefan Heger die Technik der Collage.

Und bevorzugt gelbe Farbe. Die mischt er selbst, aus Kunstharzlack und verschiedenen Farbpigmenten. Gelb wegen seiner Nähe zum Weiß des umgebenden Raums, erläutert Tim Stefan Heger seine Wahl. Im Umriss der gelben Flächen sind organische, figürliche Formen zu erkennen, zum Beispiel Tiere.

Phänomene und Prozesse beschreiben

Jedoch gehe es ihm mehr darum, Dinge wie Bewegung, Handlung oder Interaktion darzustellen als Tiere, erläutert Tim Stefan Heger. Sein Fokus liege darauf, Phänomene und Prozesse zu beschreiben. Hinzu kommen in den Bildern gezeichnete Linien. „Das Wechselspiel der Ebenen und Schichten hinterlässt einen schwerelos schwebenden Eindruck“, sagt der Esslinger. Der von ihm selbst gewählte zurückhaltende Einsatz der Mittel lasse bewusst Deutungsmöglichkeiten offen. Die Arbeiten sind grafisch, und das aus einem gutem Grund: Unter anderem hat der 54-jährige Künstler freie Grafik studiert.

Die Ausstellung „Ansichtssache“ von Thomas Heger öffnet an diesem Sonntag, 10. April, um 11 Uhr in der städtischen Galerie am Laien in Ditzingen. Auch am Sonntag, aber um 11.30 Uhr, ist in Korntal in der Galerie 4/1 die Vernissage von Tim Stefan Hegers Schau „stracks“.