Die US-Amerikanerin steht in Melbourne im Finale gegen Naomi Osaka und könnte ihren ersten Grand-Slam-Erfolg feiern – einen ordentlichen Anteil daran hat ihr deutscher Trainer Michael Geserer.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Serena Williams brach in Tränen aus, sie erhob sich und marschierte aus dem Presseraum. Es war ein reichlich emotionaler Abschied der 39-Jährigen in Melbourne, zuvor hatte sie gegen Naomi Osaka das Halbfinale der Australian Open klar mit 3:6, 4:6 verloren – ob die US-Ikone jemals ihren 24. Grand-Slam-Titel einsammeln würde, ob sie jemals den Rekord von Margaret Court einstellen würde, das ist so offen wie die Frage nach dem Ende der Pandemie. Die Frage, ob dies ihr letzter Auftritt in der Rod-Laver-Arena gewesen sei, beantwortete Serena Williams noch lächelnd: „Ich weiß es nicht. Wenn ich irgendwann Farewell sage, würde ich es nicht verraten.“ Als sie dann nach ihren leichten Fehlern gefragt wurde, entgegnete sie: „Ich weiß nicht. Das war’s.“ Und sie entschwand.

 

Die große Bühne ist nun für die Japanerin Osaka und Jennifer Brady bereitet, die sich am Samstag (9.30 Uhr/Eurosport) im Finale gegenüberstehen. Die US-Amerikanerin aus Harrisburg, 25 Jahre alt, Nummer 24 in der Tenniswelt, hat bislang ein WTA-Turnier gewonnen, es war im August 2020 in Lexington – nun steht Brady erstmals im Endspiel eines Grand-Slam-Turniers. Vergangenes Jahr hatte sie sich bei den US Open bis ins Halbfinale gekämpft, wo sie Osaka mit 6:7, 6:3, 3:6 unterlegen war. Nun bekommt sie die Chance zur Revanche. „Im Moment lebe ich meinen Traum“, sagte die Rechtshänderin aus Pennsylvania bereits vor dem Halbfinale. Der Traum, er ist noch nicht zu Ende.

Trotz Quarantäne blieb Brady gut gelaunt

Dieser konsequente Marsch ins Finale mit nur zwei Satzverlusten war trotz des Ausrufezeichens von Flushing Meadows im vergangenen Jahr nicht unbedingt erwartet worden; er war umso erstaunlicher, weil Jennifer Brady in jenem Flieger nach Australien gejettet war, in dem auch ein Coronafall saß, und sie deshalb die härtere Quarantäneprozedur mit 14 Tage gefühlter Einzelhaft in ihrem Hotelzimmer verbringen musste. Sie war die einzige Spielerin, die trotz dieses Handicaps die erste Woche der Australian Open überstanden hatte. „Die Zeit hat mir sogar gut getan. Ich habe länger geschlafen, mental Kräfte gesammelt. Und ein bisschen trainiert, so gut es eben ging“, erzählte die Finalistin über ihr Quarantäneprogramm. Eines sei ihr dabei klar geworden: „Ich muss positiv bleiben, es nehmen, wie es ist.“

Dass sie sich nicht verrückt machen ließ, dass kein Gefängniskoller aufkam, verdankt die 25-Jährige auch ihrem Trainer Michael Geserer. Der 51-Jährige hatte ihr den positiven Blick auf die widrigen Umstände angeraten, und sein Schützling hat sich daran gehalten. Der Regensburger ist seit rund eineinhalb Jahren Trainer der US-Amerikanerin, die in Florida lebt, sich aber immer wieder bei ihrem Coach in Regensburg auf Turniere vorbereitet. So auch auf die Australian Open 2021. „Ich habe selten zuvor so gut und methodisch gearbeitet“, erzählte Jennifer Brady dem Portal Tennisnet.com. Geserer sei ein Coach, „der einen genauen Plan hat, da wird nie Zeit verschenkt“. Die Akribie zahlt sich aus. Im Entscheidungssatz des Viertelfinales gegen die Tschechin Karolina Muchova spielte Jennifer Brady ihre Fitnessvorteile aus, im Halbfinale fühlte sie sich zunächst, als „würde ich in Schlamm feststecken“, doch spätestens im dritten Satz hatte sie sich befreit.

Geserer trainierte zuvor Julia Görges

Geserer war 1991 Profi geworden, brachte es aber über Platz 189 in der Weltrangliste nicht hinaus, zweimal stand er auf der ATP-Tour im Achtelfinale. Als Coach rückte er ins Licht der Öffentlichkeit, als er Philipp Kohlschreiber von 2001 bis 2006 und von 2007 bis 2009 trainierte – er brachte den Augsburger auf Platz 22 der Welt. Kohlschreiber lobte den Coach später in einem Interview: „Michael Geserer hat gesagt, er stehe voll hinter mir. Das hat mir Kraft gegeben. Ich brauche Personen eng um mich rum.“ 2010 gründete er eine Tennis-Academy in Regensburg, ab 2015 kümmerte er sich um Julia Görges, die er bis auf Platz neun der Weltrangliste coachte und die 2018 im Halbfinale von Wimbledon stand – dafür wurde Geserer vom Deutschen Tennis-Bund als „Trainer des Jahres“ ausgezeichnet.

Nach den French Open 2019 trennte sich Görges von ihrem Coach. Dann stellte sich Jennifer Brady in Regensburg vor. „Ich habe mir ihr Spiel ein wenig angeschaut“, erzählte der Deutsche. „Ich dachte: Das könnte interessant werden – sie benutzt dieselben Waffen, die auch ich früher beim Spiel bevorzugt habe.“ Nun steht der Regensburger womöglich vor seinem ersten Grand-Slam-Erfolg als Trainer, wie sein Schützling Jennifer Brady als Spielerin. „Das Finale zu gewinnen wird unglaublich schwer“, sagte die Amerikanerin, „ich werde sicher nervös sein, aber ich darf nur nicht überhypen.“ Michael Geserer wird penibelst darauf achten, dass genau das nicht passiert.