Manfred Schnetzer ist als Jugendlicher mit seiner Familie in die USA ausgewandert. Nun besuchte er seine alte Heimat – wo er stets ein Ehrengast ist.

Hände schütteln, für Fotos posieren, in Erinnerungen schwelgen, Fragen beantworten – und von alldem reichlich: Wenn Manfred Schnetzer seine alte Heimat Gerlingen besucht, ist er ein gefragter Mann mit einem vollen Terminkalender. Wie jetzt, als der 86-Jährige, der Auswanderer nach Amerika, wieder einen zweitägigen Stopp in der Strohgäu-Kommune einlegte – im Rahmen eines Familientreffens im italienischen Trient, begleitet von seinem ältesten Sohn Chris. Sogar der Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos) kam im Stadtmuseum vorbei, wo Manfred Schnetzer und seinem Sohn ein Empfang bereitet war. Ein „gewaltiger Empfang“, findet Manfred Schnetzer, sichtlich beeindruckt.

 

Das Stadtmuseum – bewusst gewählt, ist es doch das alte Schulhaus und damit der Ort, an dem Manfred Schnetzer einst die Schulbank drückte. Aber nicht der einzige Grund: Seit dem Jahr 2012 zeigt das Museum unter dem Motto „Auswanderung, Mobilität und Vertreibung – 300 Jahre bewegende Geschichte“ einen neuen Ausstellungsbereich. Dabei steht unter anderem die Auswanderung aus Deutschland nach Ungarn und in andere Gebiete, auch in die USA, im Mittelpunkt. Und hier kommt Manfred Schnetzer wieder ins Spiel: Von den vielen Koffern ist einer aufgeklappt, in dieser „Schnetzer-Ecke“ gibt es ein Zeugnis- und ein Aufsatzheft von ihm („Im Stollen“, 29. November 1944, „Meine Weihnachtsferien“), die Geschichte der Familie, viele Fotos.

Vater und Sohn beim selben Unternehmen

Die Familie Schnetzer wohnte von 1940 bis 1947 im Drosselweg auf der Schillerhöhe, ehe sie im Jahr 1952 in die USA auswanderte, von Kempten aus, woher die Familie ursprünglich kommt. „Wir waren alle begeistert“, erinnert sich Manfred Schnetzer, dessen Vater es nach einem Studienpraktikum vor dem Krieg wieder dorthin zog. Nötig sei das nicht gewesen, so Manfred Schnetzer: Sein Vater hatte in Kempten ein eigenes Ingenieurbüro. Doch die Sehnsucht nach den USA war offenbar größer. „Das war ein Neuanfang“, sagt Manfred Schnetzer. In Cincinnati im Bundesstaat Ohio erhielt der Vater eine Anstellung bei General Electric Aircraft Engines – wie später sein Sohn Manfred auch. Der arbeitete dort nach seinem Studium an der University of Cincinnati 38 Jahre lang als Maschinenbauingenieur.

Manfred Schnetzer ist bei seinem Besuch in Gerlingen nicht nur vom Trubel um seine Person sichtlich beeindruckt. Sondern auch von der Stadt selbst, davon, wie sie sich verändert hat. „Es ist sehr beglückend, wieder hier zu sein“, sagt der 86-Jährige, dem immer wieder ein englisches Wort dazwischen rutscht. Gerlingen sei „so schön“ geworden und „so groß, das ist gewaltig“. Als er als Bub von der Schillerhöhe runter lief zur Schule, habe es rechts und links entlang der Hauptstraße „offene Gosse“ gegeben. Überall auf der Straße hätten Kuhfladen herumgelegen. „Heute sehe ich viele Bäume und Blumen“, schwärmt Manfred Schnetzer. Er ist der Ansicht, Gerlingen habe sich „unheimlich verbessert“. Und vergrößert. „Damals hatte der Ort 3000 Einwohner.“ Ins Schwimmbad sei er nach Eltingen gegangen, zu Fuß.

„Man vergisst die Heimat nie“

Kennengelernt hat Manfred Schnetzer Amerikaner schon während seiner Zeit auf der Schillerhöhe, nach dem Zweiten Weltkrieg. Gut ein halbes Jahr lang hätten sie sein Elternhaus in einen Offiziersklub verwandelt. Die zwei größten Zimmer hätten sie sich dafür genommen. Sein Vater habe sich als Barmann betätigt, seine Mutter Pommes frites zubereitet. „Ich musste am Morgen immer die Zigarettenkippen einsammeln“, sagt Manfred Schnetzer und grinst.

Er denkt oft an Gerlingen und Kempten, sagt Manfred Schnetzer. Über seine Verbundenheit spricht er offen. „Man vergisst die Heimat nie.“ Sie bleibe „immer da oben drin“, sagt er und tippt gegen seine Stirn. Trotzdem habe er nie daran gedacht, nach Deutschland, nach Gerlingen oder Kempten zurückzukehren. Auch wegen der sechs Kinder und 13 Enkel, alle sprechen Deutsch. Manfred Schnetzer erzählt von einem „schönen Haus im Grünen am Stadtrand“. „Wir hatten immer viel Spaß und freundliche Nachbarn.“

Tief verwurzelt in Cincinnati

Überhaupt seien die Menschen in den USA „sehr gemütlich“, sagt der 86-Jährige. „Man kann mit jedem reden.“ Er und seine Frau Regina – sie kommt ursprünglich aus Oldenburg – sind tief verwurzelt in Cincinnati. Doch alle drei Jahre sei er seit dem Jahr 1960 in Deutschland gewesen, sagt Manfred Schnetzer. Anno 1992 nur ganz kurz in Gerlingen, vor zehn Jahren dann zwei Tage lang. Seine Freunde und Familienmitglieder leben in Nürnberg und Kempten, Verwandtschaft ist aber auch in Norddeutschland.

In seiner amerikanischen Heimat engagiert sich Manfred Schnetzer für deutsches Brauchtum. Er gehört zum Beispiel der Kolpingsfamilie an und ist der Vizepräsident der Deutsch-Amerikanischen Bürgerliga, die das German Heritage Museum unterhält. Der Liga-Präsident Don Heinrich Tolzmann war es denn auch, der Manfred Schnetzer für das deutsche Bundesverdienstkreuz vorschlug. Was dieser im September 2012 auch bekam, dafür, dass er eine rege deutsch-amerikanische Gemeinde am Leben erhalten hat.

Ein paar Dinge vermisst Manfred Schnetzer

In den USA stehe alles, was Deutsch ist, hoch im Kurs, berichtet Manfred Schnetzer – es gelte als von höchster Qualität. Viele Menschen aus Deutschland würden dort leben, ebenso seien viele deutsche Firmen vertreten. Auf Brot, auf Weiß- und Bratwürste muss Manfred Schnetzer daher nicht verzichten. Dennoch gibt es Speisen, die er in Amerika vermisst. „Leberknödelsuppe und Leberkäs“, sagt er und lacht. Auch freue er sich bei seinen Reisen nach Deutschland immer auf „gute Käsespätzle“.