CDU-Innenminister Thomas Strobl setzt sich dafür ein, syrische Gewalttäter nach Syrien abzuschieben. Dazu bräuchte es aber einen entsprechenden Lagebericht des Auswärtigen Amtes. Bei der SPD gibt es Skepsis, dass dieser so ausfällt, wie Strobl es gerne sähe.

Stuttgart - Infolge der mutmaßlichen Freiburger Gruppenvergewaltigung setzt sich Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) verstärkt für eine Ausweisung von syrischen Straftätern und Gefährdern in ihre Heimat ein. Dafür hat er Unterstützung etwa von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erhalten. Bisher wird wegen des Bürgerkriegs generell nicht nach Syrien abgeschoben. An der Stelle könnte sich somit ein neuer Konflikt mit der SPD auftun. Ein Überblick über die Kernfragen.

 

Womit begründet Strobl seinen Vorstoß? Der Abschiebestopp nach Syrien gilt seit 2012 und wurde vor einem Jahr noch einmal bis Ende 2018 verlängert. Ihm zugrunde liegt der sechs Jahre alte Lagebericht des Auswärtigen Amtes. Strobl sieht infolge der militärischen Erfolge des Assad-Regimes jedoch eine andere Bewertungsgrundlage und fordert vom Außenministerium eine Neueinschätzung bis zur Innenministerkonferenz Ende November – denn Abschiebungen sind Ländersache. Außenminister Heiko Maas hatte schon im Frühjahr auf Anfrage des Bundesinnenministers eine aktualisierte Bewertung in Aussicht gestellt. Es sei „äußerst herausfordernd, verlässliche Erkenntnisse aus erster Hand über die Lage im Land zu bekommen“, rät ein Sprecher seines Hauses zur Geduld.

Welche Chance hat der Abschiebeplan? Obwohl Strobl in der Union Unterstützer für den Vorstoß findet, tritt die Unionsfraktion im Bundestag auf die Bremse: „Auf der Basis der Neubewertung können Rückführungen nach Syrien diskutiert werden – auch parlamentarische Initiativen sollten darauf aufbauen“, sagte der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter, unserer Zeitung. „Die anstehende Neubewertung sollten wir aber nicht mit Forderungen der Rückführung vorwegnehmen.“

Kiesewetter hofft auf einen „baldigen Abschluss“ des Berichts, sodass „wir nahtlos in 2019 entscheiden können“. Er wendet ein: „Deutschland unterhält keine Botschaft mehr in Syrien, was sich selbstverständlich auch negativ auf den Erkenntnisgewinn über die Sicherheitslage auswirkt.“

Koordinator der SPD in der Frage ist Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Nach dessen Worten lässt sich derzeit nicht sicher prognostizieren, zu welchem Zeitpunkt wieder mit Ausweisungen begonnen werden kann. „Aktuell scheiterte es schon an fehlenden direkten Flugverbindungen, so dass Rückführungen nur mit Durchbeförderung durch Anrainerstaaten tatsächlich vollzogen werden könnten“, sagte er unserer Zeitung. „Der Bund wäre gefordert, diese Hindernisse zu beseitigen.“ An der Haltung der SPD, dass eine Wiederaufnahme nicht ohne aktuelle Lageeinschätzung durch das Auswärtige Amt erfolgen kann, habe sich nichts geändert.

„Die Neubewertung wird bald kommen – ich vermute aber, dass der Lagebericht dann nicht fundamental anders ausfallen wird als der bisherige“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid. „Man darf dem syrischen Regime nicht auf den Leim gehen“, warnt er. „Es geht nicht nur um die militärische Lage, sondern auch um eine Rückkehr in Sicherheit und Würde.“ Man könne Flüchtlinge nicht in eine Situation zurückschicken, in der ihnen das Grundeigentum weggenommen worden sei oder wo sie für die syrische Armee zwangsrekrutiert würden. Es gehe auch um die Frage: Wie geht das Assad-Regime speziell mit den Flüchtlingen um?

Wohin könnte ausgewiesen werden? Wenn überhaupt, dann werden wie in Afghanistan nur einzelne Regionen für die Rückführung benannt werden. Welche es sind, ist offen. Strobl benennt die „sicheren Orte“ nicht. In den Norden des Landes sind bereits 260 000 syrische Flüchtlinge aus der Türkei zurückgekehrt. Dies war – neben dem Kampf gegen IS-Extremisten und Kurdenmilizen – ein Ziel des türkischen Militärs mit seinen Aktionen im Norden. In der Rebellenprovinz Idlib haben Russland und die Türkei zudem eine entmilitarisierte Zone errichtet. „Bei der Pufferzone müssen wir aufpassen“, mahnt Schmid. Der Bundestag hätte die türkische Invasion in der Region Afrin geschlossen als völkerrechtswidrig kritisiert. „Sollen jetzt etwa die Flüchtlinge dort hingeschickt werden?“ Auch dürfe man nicht einer Umsiedlung den Boden bereiten, wonach die Menschen nicht in ihre Heimatregion zurückkehren können, sondern in Gebiete gezwungen werden, wo ihnen die familiären oder ökonomischen Grundlagen fehlen. Diktator Assad hatte im Frühjahr ein Dekret unterzeichnet, das Millionen Syrer enteignen könnte, wenn sie ihre Besitzansprüche nicht innerhalb bestimmter Fristen gegenüber der Lokalverwaltung geltend machen.

Welche Möglichkeiten bleiben noch? Laut dem Asylrecht darf bei politischer Verfolgung und der Lebensbedrohung in Bürgerkriegen nicht abgeschoben werden. Dennoch hat in Frankfurt/Oder der linke Oberbürgermeister René Wilke die örtlich zuständige Ausländerbehörde angewiesen, die Ausweisung von sieben gewalttätigen Syrern zu prüfen. Das SPD-geführte Innenministerium in Potsdam berät ihn. Grundlage ist Paragraf 53 des Aufenthaltsgesetzes – ein selten angewandtes Verfahren. Sollte es erfolgreich sein, ist zwar wegen des Abschiebestopps kein Vollzug möglich. Dann aber, so Wilke, wäre wenigstens eine engmaschigere Kontrolle der betroffenen Syrer mit verschärften Meldepflichten und Aufenhaltsbeschränkungen möglich. Bundesweit beobachten Stadtoberhäupter, wie weit der Linke damit kommt.