Einige Schulen im Kreis nennen sich „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, seit Neuem auch die Gottlieb-Daimler-Realschule in Ludwigsburg. Inwiefern spielt Rassismus dort eine Rolle? Ein Gespräch an der Schule zeigt, dass das Thema vielschichtiger ist als es scheint.

Politik: Lisa Kutteruf (lis)

Ludwigsburg - Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ – diese Auszeichnung tragen mittlerweile 255 Schulen in Baden-Württemberg, mehrere davon im Landkreis. Jüngst wurde die Gottlieb-Daimler-Realschule in Ludwigsburg mit dem Titel bedacht. Ist Rassismus im Alltag der Schule ein Thema?

 

Wie verbreitet ist Rassismus in Deutschland?

Etwa sieben Prozent der Deutschen vertreten rassistische Auffassungen. Das geht aus der „Mitte“-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2019 hervor. Etwa 19 Prozent wiederum sind demnach fremdenfeindlich eingestellt. Sie stimmen Aussagen wie „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland“ zu. Deutlich verbreiteter sind feindliche Einstellungen gegenüber Asylsuchenden. Der Studie zufolge vertreten 54 Prozent der Deutschen negative Ansichten gegenüber dieser Gruppe. 2016 waren es noch knapp 50 Prozent.

Bund und Länder haben verschiedene Projekte initiiert, um Diskriminierung an Schulen vorzubeugen. Eines davon ist „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Ziel des Projekt ist es, Diskriminierung und Rassismus an der Schule zu überwinden und Zivilcourage zu stärken. Im Kreis Ludwigsburg dürfen sich unter anderem das Mörike-Gymnasium und das Otto-Hahn-Gymnasium in Ludwigsburg und das Christoph-Schrempf-Gymnasium in Besigheim mit der Auszeichnung schmücken.

Welche Rolle spielt Rassismus an der Gottlieb-Daimler-Realschule?

Die Gottlieb-Daimler-Realschule trägt den Titel seit vergangenem Dezember. Sie wird unterstützt von Isabel Martin und Fernando Pardo, die als sogenannten Respekt Coaches, pädagogische Fachkräfte zur Radikalisierungsprävention, an der Schule aktiv sind. Seit dem vergangenen Schuljahr haben sie mehr als 65 Workshops zu antirassistischen Bildungsthemen mit Themen wie Extremismus oder Cybermobbing angeboten.

„Wir haben uns nicht für das Projekt beworben, weil wir an der Schule erkennbare Nazis oder Islamisten hätten, sondern weil hier eine Fülle an Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen aufeinandertrifft“, sagt der Schulleiter Hartmut Meier. Von den 763 Schülern an der Schule haben 73 Prozent einen Migrationshintergrund. Für Meier ist gerade das ein Grund, über Rassismus zu sprechen. „Man kann nicht sagen, dass Schüler toleranter sind, nur weil sie selbst einen Migrationshintergrund haben“, sagt er. „Politische oder religiöse Spannungen in den Herkunftsländern kommen auch bei uns in der Schule an.“ Als Beispiel nennt Meier den Putschversuch in der Türkei 2016. Danach habe sich die Schülerschaft mit türkischem Migrationshintergrund in Erdogan-Befürworter und Gülen-Anhänger geteilt. Putu, ein Zehntklässler, hat den Eindruck, dass insbesondere jüngere Schüler weniger Respekt zeigen und Menschen mit anderer Herkunft oder Hautfarbe häufiger diskriminieren als noch vor ein paar Jahren. „Ich denke, gerade bei den Kleineren kann das Projekt etwas ausrichten“, sagt er.

Martin und Pardo machen auf einen weiteren Umstand aufmerksam: Es gibt Jugendliche, die ihre Abstammung nutzen, um sich zu definieren und über andere zu stellen. „Gerade in jungen Jahren kann Nation identitätsstiftend sein“, sagt Martin. Zusätzlich sei mit den neuen digitalen Medien eine Plattform hinzugekommen, auf der auch immer wieder rassistische Inhalte geteilt würden.

Was müssen Schulen tun, um ausgezeichnet zu werden?

Um als „Schule ohne Rassismus“ ausgezeichnet zu werden, können Schulen einen Antrag bei dem Trägerverein Aktion Courage stellen. Mindestens 70 Prozent aus Schüler-und Lehrerschaft müssen sich mit ihrer Unterschrift verpflichten, sich dafür einzusetzen, Diskriminierungen und Rassismus an ihrer Schule zu überwinden. „Es ist wichtig, dass sich die Schüler selbst aktiv einbringen, damit das Ganze auch nachhaltig ist“, sagt Pardo. Darüber hinaus ist die Schule verpflichtet, mindestens einmal pro Jahr ein Projekt zum Thema Diskriminierung durchzuführen.