Volkmarsen in Schockstarre: Ein Mann steuert sein Auto in eine Menschenmenge beim Rosenmontagsumzug. 30 Menschen werden verletzt. Es bleiben Fassungslosigkeit und Ungewissheit.

Volkmarsen - Eine dunkle Plane verdeckt den Blick auf den Ort, an dem kurz zuvor noch Eltern und Kinder fröhlich Fasching gefeiert haben. Der Rosenmontagsumzug in Volkmarsen wurde jäh beendet. Dort, wo Menschen dem Umzug zujubelten und Kamelle fingen, fährt plötzlich ein Auto in die Menge. 30 Menschen sind verletzt, sieben von ihnen schwer - darunter sind auch Kinder. Auf dem Boden liegen am Montagnachmittag Stoffreste, womöglich von Kostümen. Überall in den Straßen der kleinen Stadt in Nordhessen stehen Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr.

 

Der Fahrer, nach Angaben der Ermittler ein 29 Jahre alter Deutscher, wird schnell gefasst. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Montagabend mitteilte, kommt der Tatverdächtige aus Volkmarsen. Die Hintergründe der Tat sind zunächst unklar. Manches spricht dafür, dass der Mann sein Auto absichtlich in die Menge steuerte - auch wenn sich die Polizei am frühen Abend noch nicht endgültig darauf festlegen will. Später gab es nach Angaben des Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill eine zweite Festnahme. Es sei noch nicht klar, ob der Festgenommene als Tatverdächtiger gelte oder ein Zeuge sei, sagte er auf einer Veranstaltung am Montagabend in Frankfurt am Main.

Aber was trieb den Täter an? Sofort werden schlimme Erinnerungen wach. Wieder ein Schock, wieder Hessen. Erst vor fünf Tagen erschoss in Hanau - zwar auch in Hessen, aber mehr als 200 Kilometer entfernt - ein 43-Jähriger insgesamt zehn Menschen und sich selbst. Dieser Anschlag war mutmaßlich rassistisch motiviert, der Täter war psychisch krank. Obwohl die möglichen Beweggründe des Autofahrers in Volkmarsen unbekannt sind, denke viele an den vergangenen Mittwoch. Die Nacht von Hanau hat sich bei den Menschen in Hessen schmerzlich ins Gedächtnis eingebrannt.

Viele Einsatzkräfte nach lange vor Ort

Der dunkle Sichtschutz am Tatort in Volkmarsen wird nur ab und zu geöffnet, um Rettungsfahrzeuge hereinzulassen. Auch Stunden nach der Tat rollen noch ganze Kolonnen von Rettungswagen in den Ort, Dieselaggregate sorgen für ohrenbetäubenden Lärm.

Überall auf der Straße liegt Konfetti - aber nach Feiern ist keinem mehr zumute. Noch wenige Grüppchen stehen zusammen, eine Mutter mit Kinderwagen sagt: „Ich hab nichts gesehen, Gott sei Dank.“ Und wer etwas gesehen hat, will meist nicht darüber sprechen. Ein Mädchen mit Mutter, das etwas entfernt vom Tatort stand, erzählt von Menschen mit blutenden Nasen. Ein Mensch habe offenbar unter dem Auto gelegen.

Aus Kneipen, in denen zuvor noch Karneval gefeiert wurde, dringt keine Musik mehr. Viele stehen vor der Tür, trotz ihrer bunten Kostüme sehen sie traurig aus. Viele telefonieren oder tippen auf ihren Handys. „Dabei denkt man ja eigentlich hier ist die Welt noch in Ordnung“, sagt der 1. Vorsitzende der Volksmarser Karnevallsgesellschaft, Christian Diste. Es habe noch nie Drohungen gegen den Karneval gegeben. Der Umzug in der Stadt in Nordhessen, gelegen zwischen Kassel und dem Sauerland, hat rund 700 Teilnehmer, 27 Gruppen seien in diesem Jahr dabei gewesen.

Doch auch Stunden später bleibt die Ungewissheit. „Wir sind alle betroffen, alle tief geschockt.“ Im Rathaus wurde ein Notlagezentrum mit Seelsorge und Polizeikräften eingerichtet. Es soll noch bis Dienstag geöffnet bleiben.