Auch nach dem Ausscheiden der Deutschen bei der Fußball-EM könnte es wieder überbordende Jubelfeiern geben. Die Italiener fiebern in Fellbach dem Spiel gegen Belgien entgegen. Wann die Polizei Spaß versteht und wann sie einschreitet, lesen Sie hier.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Ein Fußballspiel dauert nicht erst seit der aktuell laufenden Europameisterschaft mitunter deutlich länger als 90 Minuten. Denn immer öfter wird, sobald im Stadion der Schlusspfiff ertönt ist, auch gleich der Zündschlüssel gezückt. Im Autokorso geht es dann laut hupend und fähnchenschwingend durch die Innenstädte, um der zwei Halbzeiten lang aufgestauten Spannung auch hörbar Luft zu machen.

 

Für die einen Lebensfreude – für die anderen Ruhestörung

Was für die einen ein Ausdruck ausgelassener Lebensfreude ist, bedeutet für andere schlicht nächtliche Ruhestörung. „Die Leute müssen doch auch irgendwann mal schlafen. Doch bis halb eins wird bei der EM mindestens gehupt. Und selbst um halb drei nachts krachen noch vereinzelte Böller“, hat ein aufgebrachter Leser vor wenigen Tagen sein Leid geklagt.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Pro und Contra: Autokorsos und Jubelfeiern

Auslöser des empörten Telefonanrufs waren die sich seit dem Eröffnungsspiel zwischen Italien und der Türkei fast schon regelmäßig durch Fellbach wälzenden Blechkarawanen – und der Ärger, dass der Überschwang der Gefühle in aller Regel mit beträchtlichem Lärm verbunden ist. „Ich verstehe nicht, weshalb die Polizei da nicht einschreitet – gerade in einer Zeit, in der wegen Corona auch auf Maskenpflicht und Abstandsregeln mehr geachtet werden müsste“, heißt es kopfschüttelnd über die Rundfahrten durchs Stadtgebiet und die Siegesfeiern auf dem Stuttgarter Platz.

Der Bauhof platziert Barrieren am Straßenrand

Tatsächlich haben Polizei und das Fellbacher Ordnungsamt bei dieser EM eine konkrete Handlungsempfehlung vermisst, wie mit den Freudenkundgebungen im Blick auf die Pandemie umzugehen ist. Im Regelfall gibt das Innenministerium vor Fußball-Großereignissen eine Leitlinie heraus, bei der aktuellen EM blieb eine landesweite Handreichung allerdings aus.

Die Hände in den Schoß gelegt haben die Ordnungshüter allerdings nicht. In enger Absprache mit dem Polizeirevier hat der Bauhof diverse Barrieren am Straßenrand platziert, die im Fall der Fälle schnell aufgebaut werden können, um einen Autokorso auch mal zu stoppen. In aller Regel tun das die in Feierlaune auf den Stuttgarter Platz drängenden Menschenmassen allerdings schon automatisch – wenn die Fußballfans mal auf der Straße sind, muss aus Sicherheitsgründen auch der Verkehr ruhen. „Während die Coronaregeln in den Autos leichter einzuhalten sind, sind sie auf dem Platz häufig außer Kraft gesetzt“, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt.

Wann die Polizei bei Jubelfeiern einschreitet:

Jan Kempe, Leiter des Fellbacher Polizeireviers, spricht von Toleranz und Verhältnismäßigkeit, wenn er auf die internen Vorbereitungen auf die Viertelfinal-Partie der Italiener gegen Belgien an diesem Freitag angesprochen wird. „Man darf ja nicht vergessen, dass das keine Randalierer sind, sondern feiernde Menschen, Bürger dieser Stadt“, äußert er Verständnis, dass nach dem monatelangen Corona-Lockdown die Sehnsucht nach Ausgelassenheit groß ist. Nur bei zwei Entwicklungen versteht der Polizeibeamte keinen Spaß: Erstens, wenn mitten in der Menschenmenge bengalische Feuer gezündet werden. Und zweitens, wenn möglicherweise angetrunkene Fans auf die Ampelmasten klettern. „Das ist einfach scheißgefährlich, da schreiten wir ein“, warnt Revierleiter Kempe vor.

So wird mit aggressiven Fans umgegangen:

Ansonsten gilt die Marschroute, darauf zu achten, dass der Jubel nicht völlig über die Stränge schlägt. Aggressive Fans sollen möglichst zeitnah aufgefordert werden, den Platz zu verlassen, ansonsten drücken die Ordnungshüter durchaus auch ein Auge zu. „Ein zu schneller Stopp der Feierlaune kann zu Verlagerungen, zu neuen Verkehrsbehinderungen oder auch zu einer Verteilung im Stadtgebiet führen“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt. Die Autokorsos werden beobachtet und nach einer angemessenen Zeit nach und nach gestoppt. „Dies bedeutet auch, dass nicht mitfeiernde Anwohner zeitweise Beeinträchtigungen und Ruhestörungen ausgesetzt sind“, weiß das Rathaus.