Als erster Hersteller weltweit hat Mercedes die behördliche Zulassung für das hochautomatisierte Fahren. Der Drive Pilot kann bereits im Mai für die S-Klasse und das batterieelektrische Modell EQS bestellt werden.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Während der Weltmeister der Ankündigungen, Elon Musk, bislang das autonome Fahren im Tesla nur verspricht und zugesagte Termine nicht einhält, macht Mercedes jetzt Ernst: Ab dem 17. Mai können Kunden in Deutschland das System für hochautomatisiertes Fahren bestellen. Der Drive Pilot geht in Serie. Mercedes hat für das System, das auf der Autobahn bei Stausituationen und zähem Verkehr bis Tempo 60 die Übergabe der Kontrolle über das Fahrzeugs an den Computer erlaubt, im Dezember die Zulassung bekommen.

 

Für einen Aufpreis von 5000 Euro bei der S-Klasse und 7430 Euro im batterieelektrischen Flaggschiff kann der Käufer es jetzt ordern. Beim EQS ist die Sonderausstattung ein bisschen teurer, weil auch das Fahrassistenzsystem Plus noch mitgebucht werden muss. Die Aufpreise für die Sonderausstattung verstehen sich zuzüglich der Mehrwertsteuer.

Stufe drei auf der fünfstelligen Skala zum autonomen Fahren

Damit ist Mercedes nach eigenen Angaben der erste Hersteller weltweit mit einer international gültigen Zertifizierung für hochautomatisiertes Fahren, der ein solches System als Extra für Serienfahrzeuge anbietet. „Mit Drive Pilot haben wir eine Technologie entwickelt, die dem Kunden das wertvolle Gut Zeit zurückgibt“, sagt Mercedes-Vertriebsvorstand Britta Seeger.

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Auf der fünfstufigen Skala hin zum autonom fahrenden Auto, also dem Roboter-Auto, ist das hochautomatisierte Fahren, bei dem Mercedes jetzt der Vorreiter ist, auf Stufe drei angesiedelt. Der Drive Pilot regelt Geschwindigkeit, Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und hält den Mercedes in der Spur. Die Mercedes-Entwickler vergleichen den Schritt zum hochautomatisierten Fahren daher auch mit der historischen „Mondlandung“: Fahrassistenzsysteme wie Tempomat, Abstandhalter-, Rote-Ampel- und Spurhalteassistent, bei denen das System eingreift, gibt es schon längst. Was aber neu ist und mit dem Schritt von Neil Armstrong auf den anderen Planeten vergleichbar ist: Wenn alle Bedingungen stimmen – kein Niederschlag, kein Tunnel, Geschwindigkeit unter 60 km/h – und der Fahrer per Knopfdruck an das System übergibt, wechselt die Haftung zu Mercedes.

Ein Nickerchen soll verhindert werden

Der Fahrer kann, wenn der Drive Pilot steuert, die Hände vom Steuerrad lösen, Mails checken oder am großen Display in der Mittelkonsole Videos anschauen. Er sollte die Augen nicht für ein Nickerchen schließen, das erkennen die Kameras im Wagen. Das System würde den Fahrer auffordern, binnen zehn Sekunden die Kontrolle wieder zu übernehmen. Tut er dies nicht, bremst das System das Fahrzeug bis zum Stillstand ab.

Sollte es aber im Drive-Pilot-Modus krachen, wäre der Fahrer rechtlich aus dem Schneider. Vor allem in den USA gibt es immer wieder Unfälle mit Tesla-Fahrzeugen. Auch wenn diese Autos über einen sogenannten Auto-Pilot verfügen, heißt das nicht, dass der Fahrer die Kontrolle an das Fahrzeug abgeben und schlafen oder Videos schauen darf. Die Fahrassistenzsysteme dienen nur der Unterstützung des Fahrers, er darf nie die Kontrolle über das Auto abgeben.

Im Drive-Pilot-Modus bewegt sich das Lenkrad ferngesteuert

Im Drive-Pilot-Modus von Mercedes bewegt sich das Lenkrad ferngesteuert. Wenn sich die Bedingungen auf der Straße ändern, kann es sein, dass plötzlich im Fahrer-Display und an den Seitenverkleidungen rotes Licht erscheint. Dazu kommen akustische Signale. Das sind die Aufforderungen des Systems an den Fahrer, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Gründe gibt es zahlreiche: Die Fahrsituation wird zu komplex, der Vordermann ist zu weit weg, der Verkehr erlaubt höhere Geschwindigkeiten als 60 Kilometer pro Stunde, es setzt starker Schneefall oder Regen ein.

Die „Schogette“ auf dem Dach verrät das Drive-Pilot-System

Schon heute sind Mercedes-Fahrzeuge mit den diversen Fahrassistenzsystemen mit Kameras und Sensoren gespickt. Beim Drive Pilot kommen Radar-, Lidar-, Ultraschall- und Nässesensoren hinzu. Für Außenstehende gut erkennbar: S-Klassen mit Drive Pilot unterscheiden sich durch die „Schogette“ von Fahrzeugen ohne dieses Extra. „Schogette“ nennen die Ingenieure die leichte Erhebung auf dem Dach vor dem Heckfenster: Dort werden die Signale von gleich drei Systemen zur satellitengestützten Positionsbestimmung empfangen: Galileo, GPS und Glonass. Darüber ist die Position des Mercedes mit Drive-Pilot-Funktion auf den Zentimeter genau zu bestimmen. Zunächst ist der Drive Pilot nur in Deutschland zugelassen. Auf gut 13 000 Autobahnkilometern ist das System hier einsetzbar. Mercedes arbeitet aber an der Expansion des Drive Pilot. Bis Ende des Jahres soll die behördliche Zulassung in den US-Bundesstaaten Kalifornien und Nevada eingeholt sein.