Zum Saisonstart der Tuning-Szene am Karfreitag kommt es besonders häufig zu illegalen Autorennen. Die Polizei bereitet sich mit einem Großaufgebot auf den Feiertag vor – auch auf der Autobahn Zwischen Singen und Stuttgart.

Singen/Duisburg - Die Botschaft könnte nicht klarer sein: „Nächste Ausfahrt: Gefängnis“, heißt es auf mehreren Bannern, die an den Autobahnbrücken der A 81 zwischen Singen und Stuttgart hängen. Wahlweise ist auch von „Knastfahrern“ oder „Todesfahrten“ die Rede. Das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg hat die drastisch klingenden Plakate aufgehängt, weil es auf der A81 häufig zu illegalen Autorennen kommt. Auch Raser aus der Schweiz werden dabei regelmäßig erwischt. Besonders turbulent geht es erfahrungsgemäß am Karfreitag zu, den die Autotuning-Szene zum „Carfreitag“ auserkoren hat. An diesem Tag feiern Tuner den Start in die Saison. Und nicht immer geht es dabei nur um schicke Autos. Allein auf der A 81 stellte die Polizei 2018 insgesamt 240 Geschwindigkeitsüberschreitungen fest. Vier Fahrer mussten ihr Auto nach der Kontrolle stehen lassen, weil sie unzulässige technische Veränderungen vorgenommen hatten.

 

Gefeiert wird der „Carfreitag“ nicht nur auf der A 81. Besonders im Ruhrgebiet und in Norddeutschland hat sich der Tuning-Tag in den vergangenen Jahren fest etabliert. Wobei die Ausprägungen höchst unterschiedlich sind: „Bei uns gibt es keine typische Raser-Szene“, erklärt etwa Jacqueline Grahl, Sprecherin der Polizei Duisburg. „Wir haben es eher mit Posern zu tun, die den Motor aufheulen oder die Reifen durchdrehen lassen.“ So ganz können aber auch die Poser den Fuß nicht vom Gas lassen: 184 Tempoverstöße registrierte die Duisburger Polizei am Karfreitag 2018.

Die Treffpunkte sind nur Eingeweihten bekannt

Tankstellen und Supermarkt-Parkplätze sind beliebte Treffpunkte. Wo genau die Tuner aufschlagen, ist vorab aber nur Eingeweihten bekannt. Die meisten verabreden sich spontan über soziale Netzwerke; einen Veranstalter, den Behörden belangen könnten, gibt es meist nicht. Für die Polizei ist die Lage daher schwer planbar. „Manchmal“, so Grahl, „kommen zehn, zwanzig Leute; manchmal aber auch Hunderte von Personen.“ In Hamburg setzt die Polizei zivile Videofahrzeuge, Radarfallen und Beamte der Sondereinheit „Autoposer“ ein, um die Lage in den Griff zu bekommen. Bis zu 1200 Personen mit 900 Fahrzeugen halten sich am Karfreitag zu Spitzenzeiten rund um eine Hamburger Tankstelle auf. Hinzu kommen unzählige Schaulustige, wodurch laut Polizei „eine Art Arena-Charakter“ entsteht.

Doch es sind nicht nur dicke Auspuffrohre und PS-starke Motoren, die in der Szene Anerkennung bringen. Auch die Kulisse muss stimmen. So erwartet die Polizei in Adenau am Nürburgring bis zu 20 000 Besucher. Man rechne mit „waghalsigen Burnouts“ (Durchdrehen der Räder bei gezogener Handbremse) und „gefährlichen Fahrmanövern inmitten Schaulustiger“, heißt es von Seiten der Behörden. Die Polizei werde mit Kontrollen und Straßensperren reagieren. Die Bilanz von 2018: 196 Tempoverstöße, zwölf Unfälle, sieben leicht Verletzte.

Den meisten Tunern geht es um schöne Autos – aber eben nicht allen

Der Rennsportort selbst will mit solchen Exzessen nichts zu tun haben. „Wir sind daran in keiner Weise beteiligt“, beteuert Alexander Gerhard, Sprecher des Nürburgrings. „Die Eifel ist ein sehr katholisches Gebiet. Da findet am Karfreitag keine offizielle Veranstaltung statt“, sagt Gerhard. Das hält Motorsportfans freilich nicht davon ab, die umliegenden Landstraßen zu befahren. Auch kommerzielle Interessen spielen am Carfreitag eine Rolle. So wirbt ein Sportwagen-Vermieter auf Facebook mit der Möglichkeit, in einer „Rennmaschine“ über die „Landstraßen zur grünen Hölle zu zirkeln“. Gegen Gebühr, versteht sich. So kostet eine 30-minütige Tour im AMG GTS 199 Euro. Für den Lotus Evora 400 werden 149 Euro fällig. Offizielle Verbände und Automobilclubs distanzieren sich von solchen Aktionen. Der ADAC erklärt, man sei kein Akteur und verfüge über keinerlei Informationen oder Statistiken zu dem Thema. Der Verband der Automobil-Tuner bekräftigt, es handle sich bei den Karfreitagstreffen nicht um organisierte Veranstaltungen. Stattdessen seien ausschließlich Privatleute und „autobegeisterte Fans aller Art“ daran beteiligt.

Die Mehrzahl der Tuner – das betonen auch die Behörden – wird am „Carfreitag“ nicht auffällig. „Im Ruhrgebiet gibt es viele junge Leute, und viele von ihnen haben schöne Autos“, so die Duisburger Polizeisprecherin Jacqueline Grahl. „Wir haben damit kein Problem, solange niemand gegen das Gesetz verstößt.“ Es ist eine Minderheit, die für Schlagzeilen sorgt. „Manche Autos sind so tief gelegt, dass sie fast am Reifen schaben. Wir kontrollieren konsequent, damit solche Verstöße die Ausnahme bleiben.“ Dass der „Carfreitag“ in Deutschland derart exzessiv gefeiert wird, mag auch an den vergleichsweise geringen Strafen liegen. Zwar müssen Teilnehmer illegaler Autorennen inzwischen mit einer Gefängnisstrafe rechnen – Ende März wurden in Berlin zwei Männer zu lebenslanger Haft verurteilt, nachdem ein Unbeteiligter durch ihre Raserei ums Leben gekommen war. Bei geringfügigeren Delikten drohen im europäischen Vergleich aber nur lasche Strafen. Beispiel Tempo: Wer 50 Stundenkilometer zu schnell fährt, wird in Österreich mit bis zu 2140 Euro belangt. Der deutsche Bußgeldkatalog sieht eine Geldstrafe „ab 240 Euro“ vor.

Singen verbietet „Carfreitag“

Die Stadt Singen geht gegen Treffen der Tuning-Szene vor: Von Gründonnerstag bis Ostermontag seien im Stadtgebiet Ansammlungen von mehr als fünf getunten Fahrzeugen verboten, sagte ein Sprecher. Wer dagegen verstoße, müsse mit einem Zwangsgeld von 150 Euro rechnen. Werde das Treffen nicht innerhalb von 20 Minuten beendet, würden die Fahrzeuge abgeschleppt und beschlagnahmt. Wieder herausgegeben würden die Autos frühestens ab Dienstag nach Ostern. „Voraussetzung für die Herausgabe ist aber, dass das Auto in technischer Hinsicht am Straßenverkehr teilnehmen darf. Wer also Tuningteile ohne gültige Zulassung angebracht hat, der wird schlechte Karten haben, sein Auto auf den eigenen vier Rädern wieder nach Hause fahren zu dürfen.“

Die Tuning-Szene hatte in Singen vor einiger Zeit für Ärger gesorgt. An einem Kreisverkehr im Industriegebiet hatten sich zahlreiche Autofans getroffen. Die Folgen: Müll auf den Parkplätzen, Lärmbelästigung und Sachbeschädigung. Zum Teil waren mehrere Hundert Teilnehmer angereist, viele aus der Schweiz. Inzwischen sei es aber deutlich ruhiger geworden, sagte der Sprecher. „Im vergangenen Jahr war wenig bis gar nichts los. Unsere Maßnahmen haben gewirkt.“ Die Stadt hatte in den betroffenen Straßen am Wochenende eine 30er-Zone eingerichtet, zudem zeigte die Polizei viel Präsenz.