Der Machtkampf beim Autozulieferer ZF Friedrichshafen spitzt sich zu. Aufsichtsratschef Giorgio Behr hat seinen vorzeitigen Rücktritt angekündigt.

Friedrichshafen - Ursprünglich wollte ZF-Aufsichtsratschef Giorgio Behr nach Ablauf seiner Amtszeit Ende März 2018 aus dem Aufsichtsgremium ausscheiden – zumindest hatte er das im Oktober angekündigt. Jetzt schmeißt er in Friedrichshafen drei Monate früher hin. Ein ZF-Sprecher bestätigte am Donnerstag Behrs vorzeitigen Rücktritt, wollte sich aber nicht näher äußern, weil man Angelegenheiten des Aufsichtsrates nicht kommentiere.

 

Behr indessen wandte sich in einem persönlichen Schreiben an die Mitarbeiter, das unserer Zeitung vorliegt. Darin heißt es: „Im Sinne einer konsequenten Verjüngung des Aufsichtsrats habe ich bereits Ende Oktober deutlich gemacht, dass ich nicht für eine weitere Amtsperiode kandidieren werde. Nach reiflicher Überlegung habe ich jetzt entschieden, mein Amt noch vor der Neuwahl im Frühjahr 2018 mit einer Frist von vier Wochen niederzulegen.“ Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, schreibt Behr weiter, aber „sie reflektiert meinen Wunsch, Veränderungen nicht im Wege zu stehen.“

Veränderungen angekündigt

Was das für Veränderungen sind, dazu schweigt er. Die Arbeit des ZF-Vorstands dürfte dadurch nicht gerade einfacher werden. Behr ist Präsident und Inhaber der BBC Group im schweizerischen Buchberg und sitzt seit zehn Jahren im ZF-Aufsichtsrat. Er hat sich stets hinter ZF-Vorstandschef Stefan Sommer gestellt und ihm den Rücken gestärkt – auch dem Eigentümer gegenüber, der durch den Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand vertreten wird. Brand ist Vorsitzender der Zeppelin-Stiftung, die 93,8 Prozent an ZF hält und damit Eigentümerfunktion ausübt. Mit Behr verliert ZF-Vorstandschef Sommer einen wichtigen Verbündeten, was die Konzernstrategie angeht.

Für Brand kommt Behrs Entscheidung offenbar nicht ganz so überraschend. Auf Anfrage unserer Zeitung ließ der Friedrichshafener OB mitteilen: „Herr Professor Behr hat die Eigentümer am Montag über seine Entscheidung informiert. Wir sind auf diese Veränderung vorbereitet. Der Aufsichtsrat wird entsprechend seiner Satzung unverzüglich aus seiner Mitte einen neuen Vorsitzenden wählen. Auch die Nachbesetzung des freien Aufsichtsratssitzes wird bereits im Dezember erfolgen.“

Es rumort seit Monaten

Seit Monaten rumort es bei ZF. Hintergrund ist, dass sich die Stadt verstärkt ins operative Geschäft eingemischt und zuletzt auch noch mit einer Dividendenerhöhung Ärger bereitet hat. Wie berichtet, hat der Gemeinderat jüngst entschieden, die jährliche Gewinnbeteiligung am Unternehmen zu verdreifachen, nämlich von 50 Millionen auf 160 Millionen Euro – das entspricht 18 Prozent des Gewinns. Der plötzliche Abschied von Entwicklungsvorstand Harald Naunheimer hat angeblich nichts mit diesen Querelen zu tun.

Friedrichshafens OB Brand, der erst im März 2017 für weitere acht Jahre an die Rathausspitze gewählt wurde, eckt mit seinem Vorstoß im Vorstand an. In einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ hatte ZF-Vorstandschef Sommer gefordert, die Stadt möge sich aus dem operativen Geschäft der Konzerns heraushalten. „In dem Moment, in dem zum Beispiel lokalpolitische Erwägungen die Unternehmensstrategie bestimmten, wird es kritisch“, war da zu lesen. Dass zwischen Sommer und Brand Dissens herrscht, ist seither ein offenes Geheimnis. Auf der einen Seite stehen eher risikoscheue Eigner, auf der anderen Seite steht ein Konzernlenker, der den Zulieferer für Zukunftsthemen wie Elektromobilität und autonomes Fahren fit machen will – unter anderem auch mit Übernahmen. Zuletzt allerdings war der Kauf des Bremsenherstellers Wabco für rund sechs Milliarden am Aufsichtsrat gescheitert, wie zu hören ist.

Stiftungsunternehmen denken langfristig

Stiftungsunternehmen haben eigentlich den Vorteil, dass sie unabhängig sind vom Kurzfristdenken des Kapitalmarktes. Ihr Handeln ist langfristig ausgelegt. Allerdings sind die Stiftungen auf die Ausschüttungen angewiesen. Vorstand und Vertreter der Stiftung sprechen sich in der Regel über die Zahlung ab, sagt Thomas Frohnmayer, Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz. Das mache man auch deshalb, damit Dividendenwünsche nicht mit Investitionsbedürfnissen kollidieren, erläutert er. Fakt ist auch: Börsennotierte Unternehmen haben mehr Möglichkeiten, sich am Kapitalmarkt Geld zu beschaffen. Sie können neue Aktien emittieren; Stiftungsunternehmen ist dieser Weg verwehrt. Schützen können sich Unternehmen vor dem Entzug von zu viel Kapital durch die Festlegung entsprechender Regeln, so Frohnmayer. So ist etwa beim Zulieferer Mahle festgelegt, dass in der Regel drei Prozent des Konzerngewinns an die Stiftung überwiesen wird. Beim Optikkonzern Zeiss hängt die Dividende unter anderem an der Eigenkapitalquote. Liegt die unter 20 Prozent, erfolgt keine Ausschüttung. Dann geht es staffelweise nach oben; erst bei einer Eigenkapitalquote von mehr als 40 Prozent kann sich die Stiftung auf eine Ausschüttung von bis zu 14 Prozent freuen. ZF hat 2016 übrigens eine Eigenkapitalquote von 21 Prozent erreicht. Bosch hat für 2015 knapp 130 Millionen Euro an seine Stiftung überwiesen, vier Prozent des damaligen Gewinns.