Oberbürgermeister Brand richtet beim Autozulieferer ZF ein Debakel an, findet StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Es war ein Abgang mit Ansage. Dass Vorstandschef Stefan Sommer den Autozulieferer ZF verlassen würde, war seit einiger Zeit klar. Die letzten Zweifel wurden ausgeräumt, als der langjährige Aufsichtsratschef Giorgio Behr noch nicht einmal mehr die letzten drei Monate seiner regulären Amtszeit bleiben wollte, sondern Hals über Kopf das Unternehmen verließ, um nicht an der Demontage Sommers mitwirken zu müssen. Nun geht also der Vorstandsvorsitzende, der am Ende des erfolgreichsten Jahres der Firmengeschichte mit einer dürren Pressemitteilung verabschiedet wird.

 

Damit steht der Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand, die treibende Kraft hinter dem Rauswurf, der nicht so genannt werden darf, vor einem Scherbenhaufen. Idealerweise muss er in der Aufsichtsratssitzung am nächsten Dienstag einen Nachfolger für Sommer präsentieren. Doch welcher ambitionierte Manager will sich den Führungsjob in Friedrichshafen antun, in einem Unternehmen, in dem sowohl über die strategische Ausrichtung als auch über die Kompetenzen der unterschiedlichen Gremien gestritten wird?

Sommer war kein Chefdiplomat, hatte aber eine klare Idee vom Unternehmen

Nun ist an Sommer kein Chefdiplomat verloren gegangen. Es war ein Affront, als er in einem Zeitungsinterview die Auseinandersetzung mit dem Oberbürgermeister, der als Chef der Zeppelin-Stiftung über 90 Prozent der ZF-Anteile kontrolliert, mit deutlichen Worten öffentlich machte. Doch zeigt die Auseinandersetzung eben auch, wie problematisch das Konstrukt in Friedrichshafen ist.

Sommers Kurs war und ist nachvollziehbar: Wenn der Zulieferer im sich dramatisch wandelnden Automobilgeschäft langfristig erfolgreich sein will, muss er in Geschäftsfelder investieren, die wenig mit Zahnrädern und viel mit Elektronik und autonomen Fahren zu tun haben. Das kostet Geld und ist mit Risiko verbunden; allerdings ist das Risiko, nicht zu handeln, noch viel größer. Demgegenüber stehen die Interessen der Stadt, die langfristig eine sichere Dividende auf ihre Anteile erzielen will und nun sogar – um für schlechtere Zeiten vorzubeugen – Ausschüttungen in etwa dreifacher Höhe fordert.

Bisher galt die Eigentümerkonstruktion bei ZF nicht als gravierender Nachteil in der Industrie, und andere Unternehmen wie Bosch oder Mahle zeigen, dass auch Stiftungen Unternehmen erfolgreich führen können. Allerdings haben just Bosch und Mahle die Finanzmittel für hohe Investitionen und Ausgaben für Forschung und Entwicklung, weil ihre Stiftungen bescheidene Eigner sind, sich also wenig auszahlen lassen und entsprechend viel Kapital im Unternehmen verbleibt. Bei der ZF sind diese Zeiten jedoch vorbei.

Brand bringt das Stiftungsmodell bei der ZF in Misskredit

Es ist höchst zweifelhaft, dass der OB mit seiner Politik, die die Interessen der schon heute mehr als gut situierten 60 000-Einwohner-Kommune über die nunmehr gut 138 000 ZF-Mitarbeiter stellt, langfristig erfolgreich ist. Und nicht nur das: Brand bringt das Stiftungsmodell bei der ZF als solches in Misskredit.