Olympia in Tokio wird endgültig zum reinen Fernseh-Schauspiel. Der Gastgeber der Sommerspiele verhängt erneut den Corona-Notstand und schließt Zuschauer in der Hauptstadt aus. Grund sind die wieder steigenden Infektionen.

Tokio - Kaum hatte Thomas Bach die Olympia-Stadt Tokio betreten, musste der IOC-Chef den nächsten schweren Tiefschlag für seine Corona-Spiele verkraften. Die japanischen Gastgeber verhängten für die Olympia-Zeit wegen steigender Infektionszahlen erneut den Notstand über Tokio und schlossen kurz darauf auch inländische Zuschauer von den Wettbewerben in der Hauptstadt aus. „Wir hatten keine andere Wahl“, räumte Organisationschefin Seiko Hashimoto nach kurzfristig einberufenen Beratungen mit dem Internationalen Olympischen Komitee am Donnerstag ein. Ausländischen Olympia-Fans war die Einreise schon im März untersagt worden.

 

Erstmals in der Geschichte keine Zuschauer bei Olympia

Erstmals bei Olympia keine Zuschauer in den Stadien, keine Fanmeile, kein Alkohol - nicht mal in den Bars oder Restaurants: Die große olympische Party wird man in Tokio vergeblich suchen. Bis zuletzt hatten die Olympia-Macher noch an ihren Plänen festgehalten, bis zu 10 000 Fans aus dem Inland pro Wettkampf in den Arenen zuzulassen. Diese Hoffnung ist nun zerplatzt.

Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga sah sich zur Verhängung des Notstands vom kommenden Montag bis vorläufig zum 22. August gezwungen, weil die Zahl der Corona-Fälle zwei Wochen vor der Olympia-Eröffnung wieder deutlich anzieht. Davor hatten Gesundheitsexperten auch seiner Regierung immer wieder gewarnt.

Der Wille zur Austragung

Den Willen zur Austragung der Spiele aber bekräftigte IOC-Präsident Bach auch nach seiner Ankunft. „Ich fühle mich wie ein Athlet im Warteraum, bereit für die Action“, beteuerte der 67-Jährige. Man werde alle Maßnahmen der Japaner unterstützen - zur Not eben auch den Ausschluss aller Zuschauer.

„Wir müssen stärkere Schritte unternehmen, um einen weiteren landesweiten Ausbruch zu verhindern, auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Coronavirus-Varianten“, begründete Suga seine Entscheidung, zum vierten Mal über Tokio den Notstand zu verhängen. Es handele sich um eine reine „Vorsichtsmaßnahme“. Er hoffe auf „historische“ Olympische Spiele, sagte Suga.

Mit dem Notstand soll vor allem verhindert werden, dass Restaurants und Bars Alkohol ausschenken. Auf diese Weise versucht man, eine Ausbreitung des Virus in den Griff zu bekommen. Die Bürger sollen möglichst daheim bleiben.

Kritik am Festhalten der Spiele

Eigentlich hatte der wegen des äußerst langsam angelaufenen Impfprozesses und seines Festhaltens an den Spielen kritisierte Suga nur eine Verlängerung des bis Sonntag angesetzten Quasi-Notstands mit weniger strengen Maßnahmen geplant. Nur für die Präfekturen Hokkaido, Aichi, Kyoto, Hyogo und Fukuoka endet der Quasi-Notstand wie geplant.

Man hoffe, mit dem erneuten Notstand für die Hauptstadt Tokio die Bürger davon abzuhalten, während der bevorstehenden Sommerferien und der Feiertage im Zuge des Ahnenfestes O-Bon umherzureisen, bis der Impfprozess weiter vorangeschritten sei, wurde der für die Corona-Maßnahmen zuständige Minister Yasutoshi Nishimura zitiert.

Nur ein Fernseh-Schauspiel?

Durch den Ausschluss der Zuschauer in Tokio und drei Nachbar-Präfekturen können sich die meisten Bürger des Landes die Spiele ohnehin nur zu Hause am Fernseher anschauen. Und auch Public Viewings wird es in Tokio nicht geben. Damit drohen die Spiele, die vom 23. Juli bis 8. August stattfinden sollen, zu einem sterilen Fernseh-Schauspiel zu werden. Viele Menschen in Japan befürchten, dass Olympia zu einem Superspreader-Event werden könnte.

In Umfragen hatte sich immer wieder eine Mehrheit für eine erneute Verschiebung oder Absage ausgesprochen. Japans Olympia-Macher und das IOC betonten jedoch bisher immer, dass alles „sicher“ ablaufen werde. Man werde Verantwortung beweisen und „alle Maßnahmen unterstützen, die für sichere Spiele für Japans Bevölkerung und die Teilnehmer nötig sind“, beteuerte Bach am Donnerstag zu Beginn der Beratungen über die Zuschauerfrage.

Bach muss in Quarantäne

Nach seiner Landung war Bach vom Flughafen Haneda zum Olympia-Hauptsitz des IOC, einem Fünf-Sterne-Hotel in der Innenstadt gefahren. Drei Tage soll er dort in Quarantäne bleiben. Vor Bach waren schon hunderte Athletinnen und Athleten in Japan angekommen. „Sie sind alle froh, dass die Spiele auf sichere Art und Weise stattfinden können“, sagte der deutsche IOC-Chef.

Am Tag von Bachs Ankunft meldete die Stadtverwaltung von Tokio 896 neue Infektionsfälle. Damit lag die Zahl der Neuinfektionen seit nunmehr 19 Tagen jeweils über dem Wert des gleichen Tages der Vorwoche. Eine Absage der Spiele scheint jedoch weder Japans Olympia-Machern noch dem IOC in den Sinn zu kommen.