Da ist Musik drin: Marcel Keller inszeniert in der Esslinger Landesbühne „Backbeat“, ein Stück über die Hamburger Anfangsjahre der Fab Four, als sie noch im Strip-Club auftraten.

Stuttgart - Der Vorhang teilt sich, ins Licht tritt der Liverpooler Musikmanager Brian Epstein und mit ihm die Erinnerung an die ersten Jahre der berühmtesten aller Pop-Bands. Die Briten Ian Softley und Stephen Jeffreys adaptierten ihren gleichnamigen Film von 1994 für das Theater, seither wird „Backbeat“ viel gespielt und ist nun in der Esslinger Landesbühne angekommen. Marcel Keller hat inszeniert, Felix Jeiter, Benjamin Janssen und Timo Beyerling spielen Lennon, McCartney, Pete Best oder Ringo Starr und gehören dem Ensemble an, Moritz Finn Kleffmann, ein junger Esslinger Musiker, spielt George Harrison.

 

Die Beatles betreten die Bühne, Gitarre und Schlagzeug warten darauf, die Welt zu erobern. John Lennon möchte Stuart Sutcliffe überreden, sich seiner Band anzuschließen. Lennon und Sutcliffe haben gemeinsam Kunst studiert – John drückt Stu einen Bass in die Hand und erklärt ihm: die Kunst von heute ist der Rock‘ n Roll. Für Lennon ist Sutcliffe der coole Mittelpunkt der Band – und Daniel Großkämper spielt ihn mit Haartolle und dunkler Sonnenbrille. Stuart Sutcliffe wird in Hamburg immer mehr zur Kunst hin driften, Gelegenheit, einen Seitenhieb auszuteilen: Ein bornierter Kunstsammler samt Partnerin spaziert an Sutcliffes Bildern vorbei, lobt sie und schimpft auf die niveaulose Massenkunst, auf die Musik. Stuart leidet.

„Lasst die Sau raus!“, raunzt der Club-Besitzer

Markus Michalik, Antonio Lallo, Martin Theuer und Kristin Göpfert spielen den Kosmos, in den die Beatles sich bewegen. Michalik ist Klaus Voormann und Brian Epstein; Lallo ist Bert Kaempfert und Bruno Koschmider, Besitzer des Indra, der Strip-Bar, in der die Beatles ihre ersten deutschen Auftritte spielten. Theuer ist George Martin, der mit Kaffeetasse und im Anzug durchs Studio spaziert, er ist ein großartiger Tony Sheridan, mit dem die Jungs den Hit „My Bonnie“ einspielen. Kristin Göpfert singt lasziv im roten Kleid „Why don‘t you do right“, ist Ärztin, Professorin, Bühnenfrau. Michalik, Lallo, Theuer sind auch in Nebenrollen zu sehen, lehnen an der Bar, applaudieren. „What I want from you“, raunzt Bruno Koschneider die Band an, die täglich sechs Stunden für ihn schuftet, „is die Sau rauslassen.“ Die Beatles schlucken Pillen und gehorchen.

„Backbeat“ will sich ganz auf die Dynamik der jungen Band konzentrieren, nebenbei die tragische Geschichte Stuart Sutcliffes erzählen. Gerade daran, dass es ein kleines Ensemble ist, das diese Welt auf die Bühne bringt, leidet das Stück ein wenig – die raue Reeperbahn, das wilde Leben, wehen nur als Zitate auf die Szene. Die Auftritte der Beatles-Band der Landesbühne bleiben die einzige Musik des Stücks – einen schnelleren Takt zwischen diesen Szenen, ein reicheres Zeitkolorit hätte man sich mitunter gewünscht.

Stimmung in der Theaterbude

All das jedoch ist rasch vergessen, sobald die Beatles-Band zu spielen beginnt. Jeiter, Janssen, Kleffmann, Beyerling und Großkämper ähneln ihren Vorbildern nicht ganz, haben die Posen der Fab Four aber gründlich studiert, toben und hämmern auf ihre Gitarren, treffen den stimmigen Gesang der Beatles. Von „Matchbox“ und „Johnny B. Goode“ bis zu „I saw her standing there“, „A Taste of Honey“, „Twist and shout“ und natürlich „Love me do“ reicht das Repertoire, mit den sie Stimmung ins Theater bringen.

Schön gelungen sind die Szenen, in denen Lennon und McCartney gemeinsam komponieren, am Rand der kleinen Clubbühne sitzen, die Marcel Keller für das Stück bauen ließ und die immer dann, wenn die Beatles ihre Verstärker aufdrehen, nach vorne fährt. George Harrison, noch keine 18 Jahre alt, verliert seine Unschuld an das Mädchen Lela, die restlichen Beatles kommen aus ihrem Versteck, applaudieren. „Backbeat“ zeigt die Band, die später oft stubenrein auftreten sollte, noch mit reichlich schmutzigem Humor.

Alessandra Bosch spielt die Lela und auch Astrid Kirchherr, die Freundin, die Klaus Voormann an Stuart Sutcliffe verlor. Sie war die erste, die die jungen Beatles fotografierte, ihre ikonischen Bilder – die Beatles mit verwegenen Teddy-Boy-Frisuren – stellen die Schauspieler nach. Das Stück endet am Rande des Ruhms, mit der ersten Single, als die Frisuren zu Pilzköpfen werden. „Backbeat“ ist nicht ohne Schwächen, aber es hat Szenen, die im Gedächtnis bleiben und eine Musik ergänzen, die jeder kennt – Esslingen wird seine Beatles lieben, das steht fest.