Die Wellen schlagen hoch – mehrere Badegäste beschweren sich bei der Stadt Backnang über eine Frau, die in Burkini und Niqab schwimmen ging. Der Oberbürgermeister Frank Nopper will nun ein klärendes Gespräch mit der deutschen Muslimin führen.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Backnang - Weil eine Frau mit Burkini und Gesichtsschleier im Backnanger Wonnemar viele Badegäste empört hat, hat die Stadt am Dienstag reagiert. Zunächst traf der Erste Bürgermeister, Siegfried Janocha, in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Städtischen Bädergesellschaft eine Eilentscheidung, wonach der betroffenen Frau das Tragen einer nur mit Sehschlitzen ausgestatteten Vollverschleierung in den Murrbädern untersagt wurde. Er habe das „nach intensiven Gesprächen mit einer Vielzahl von Badegästen, die von durch die vollverschleierte Frau verängstigten Kindern berichteten“, getan, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.

 

Die Frau hatte beim Besuch des Wonnemar mit ihren Kindern einen Burkini und einen Niqab, einen Gesichtsschleier, der nur die Augen freilässt, getragen. Die Deutsche, die vor etwa zwölf Jahren zum Islam übergetreten ist, reagierte fassungslos auf die Nachricht. Von Seiten der Stadt habe niemand sie angehört, erklärt sie. Dass Kinder Angst vor ihr hätten, sei nicht wahr. Sie trage den Niqab bereits seit etwa sechs Jahren – und bis auf einige Pöbeleien habe sie nirgendwo Probleme gehabt. „Noch nie hat ein Kind geweint, weil es mich gesehen hat – auch nicht im Wonnemar“, beteuert die 35-Jährige.

Bekleidung wird vorerst geduldet

Der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper sagte am Nachmittag, die Entscheidung Janochas sei ohne seine Kenntnis und im „Eifer des Gefechts“ erfolgt. Er wolle nun gemeinsam mit der Bäderverwaltung ein klärendes Gespräch mit der Frau führen – „in einer Atmosphäre der Ruhe und der Vernunft“, wie er sagt. Bis dahin werde die bisherige Bekleidung der Frau geduldet, allerdings werde ihr „ausdrücklich nahegelegt“, von einer nur mit Sehschlitzen ausgestatteten Vollverschleierung abzusehen – aus Rücksicht auf die anderen Badegäste.

Er selbst sehe das Tragen einer solchen Verschleierung in einem öffentlichen Bad sehr kritisch – „gerade auch aus Sicherheitsaspekten und aus Gründen des Sicherheitsgefühls der anderen Badegäste“, sagt Nopper. Mehrere Dauerbadegäste seien „sehr aufgewühlt“ gewesen. „Es wurde auch dargelegt, dass man sich eben den hiesigen Gepflogenheiten anpassen müsse“, berichtet Nopper.

Einige Badegäste reagieren aggressiv

Die 35-Jährige ist schockiert von der Aggressivität einiger Badegäste im Wonnemar. „Ich wurde dermaßen beschimpft – vor meinen Kindern. Ich verstehe nicht, woher dieser Hass kommt“, sagt sie unter Tränen. „Meine Kinder und ich wollten doch nur Spaß haben.“ Sie könne verstehen, dass der Anblick einer vollverschleierten Frau ungewohnt sei – „aber man kann sich doch gegenseitig leben lassen.“ Sie selbst schreibe anderen ja auch nicht vor, wie sie sich zu kleiden hätten.

Sie erklärt, dass es in ihrer Religion verschiedene Sichtweisen zum Thema Verschleierung gebe und dass jede Gläubige es so machen könne, wie sie es wolle. Das deckt sich mit dem, was Frank Nopper sagt: Dass es viele muslimische Frauen gebe, die in der hierzulande üblichen Badekleidung in den Murrbädern schwimmen. Für die 35-Jährige hat der Niqab hingegen eine besondere Bedeutung: „Das ist mein Gottesdienst“, sagt sie. Nach ihrem religiösen Verständnis solle nur ihr Ehemann ihren Körper sehen – deshalb verhülle sie sich. Sie habe sich aus freien Stücken dazu entschieden. „Mein Mann unterdrückt mich nicht“, betont sie.

Die 35-Jährige bedauert, dass ihr die Badegäste keine Gelegenheit gegeben hätten, sich zu erklären. „Sie lassen einen gar nicht zu Wort kommen“, erzählt sie. Ein Mann habe sie sogar fotografiert – was gegen die Badeordnung im Wonnemar verstößt. Das Aufsichtspersonal sei hingegen sehr freundlich zu ihr gewesen.

Stadt prüft Verbot

„An dem Tag war wohl schon relativ viel Aufregung“, berichtet der Center-Manager des Schwimmbads, Ricardo Haas. Nach den Beschwerden hätten seine Mitarbeiter eine „Sichtprüfung“ durchgeführt und dabei festgestellt, dass es sich bei dem Burkini eindeutig um Bade- und nicht um Straßenkleidung handelte. „Es kommt auf das Material an“, erklärt der Center-Manager. „Wir können rechtlich nichts machen, sondern müssen Gesetze und Vorschriften anwenden.“

Ob diese geändert werden, will die Stadt prüfen. „In unserem Fall scheint es nicht um das Tragen eines Burkini, sondern das einer Gesichtsverschleierung zu gehen“, erklärt Nopper. Möglicherweise komme man zu dem Ergebnis, dass in der Badeordnung zwischen einem Niqab und einem Burkini unterschieden werde. „Im Übrigen muss eine Stadtverwaltung die Interessen und Anliegen aller Beteiligten berücksichtigen – die der Trägerinnen von Verschleierungen einerseits, aber gerade auch die der großen Mehrzahl der anderen Badegäste andererseits“, so der OB.