Der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio bekommt bei den Backnanger Wirtschaftsgesprächen mit seinen Thesen zur Digitalisierung viel Applaus. Der OB Frank Nopper spricht von einem Allzeithoch seiner Stadt.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Sehen und gesehen werden. Einem überregional bekannten Redner folgen. Den OB in Hochform erleben – anschließend schlemmen und sich zuprosten: Das sind seit der ersten Auflage der Backnanger Wirtschaftsgespräche 2003 die Konstanten der Veranstaltung, die viele hundert geladene Gäste anzieht.

 

Als Redner für die Backnanger Wirtschaftsgespräche seien „die Besten gerade gut genug“, sagt ein gut gelaunter OB Frank Nopper am Dienstagabend im großen Zelt, das vor der imposanten ehemaligen Spinnerei steht. In diesem Jahr ist es den Veranstaltern gelungen, Udo Di Fabio nach Backnang zu holen. Er war von 1999 bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht und ist der Vorsitzende der Ethikkommission zum automatisierten Fahren. Dieses vom Verkehrsministerium eingesetzte Gremium hat kürzlich Vorschläge gemacht, darüber wird der Jurist vor gut 800 Besuchern sprechen.

„Prosperierende und innovative Aufstiegsstadt“

Aber vorher ist Nopper dran. Der Schultes, wie Di Fabio Jurist, preist Backnang mal wieder in den aller höchsten Tönen. Die Bauplätze in der Stadt seien heiß begehrt, die Flächen des Gewerbegebiets Lerchenäcker bald alle weg. Backnang sei eine „prosperierende und innovative Aufstiegsstadt mit Optimismus und Selbstbewusstsein“, mit 14 671 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, diese Ziffer markiere „ein Allzeithoch“. Noch nie habe Backnang mehr Einwohner gezählt, Ende 2016 seien es 37 382 gewesen. Und in diesem Jahr kämen etwa 500 hinzu. Die Botschaft ist klar: Backnang gehöre die Zukunft.

Mit der Zukunft befasst sich dann auch Udo Di Fabio. Er spricht auf Einladung der Stadt, des Gewerbevereins und des Industrievereins über Digitalisierung und Automatisierung, speziell über autonomes Fahren und über rechtliche Fragen sowie ethische Probleme, die die neuen technischen Möglichkeiten aufwerfen.

In seinem engagierten Referat, das immer wieder von wahren Beifallsstürmen unterbrochen wird, warnt Di Fabio vor einer Totalüberwachung des Menschen durch das autonome Fahren. Alle Fahrzeughalter beziehungsweise -nutzer müssten über die Weitergabe und die Verwendung aller anfallenden Fahrzeugdaten entscheiden dürfen. Einer normativen Kraft des Faktischen, wie sie etwa in den sozialen Netzwerken vorherrsche, müssten Politik und Gesellschaft frühzeitig entgegenwirken.

Möglichst keine Verletzten mehr im Straßenverkehr

Frage eines Zuhörers: Wohin solle ein computergesteuertes Auto denn gelenkt werden, wenn ein Unfall drohe: Auf die Oma rechts am Straßenrand oder auf die Frau mit Kinderwagen links? Di Fabio erklärt, das Ziel sei es, dass künftig möglichst niemand mehr verletzt werde im Straßenverkehr. „Aber vollständige Sicherheit gibt es nicht“, sagt er. Bei unausweichlichen Unfallsituationen sei jede „Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen“ strikt verboten, es dürfe also keinesfalls eine Auswahl des Opfers geben, zum Beispiel nach Alter, Geschlecht oder Konstitution.

Eine Testfahrt mit einem automatisiert gelenkten Auto auf der Autobahn A 8 habe er positiv in Erinnerung. Di Fabios Resümee: „Die Technik fährt besser“, aber auch viel langsamer. Der Wagen habe sich an alle Tempolimits gehalten, „ich war ein Verkehrshindernis, das war mir aber egal.“

Harro Höfliger, 80-jähriger Unternehmer und Vorsitzender des Industrievereins, indes erklärt wenig später grinsend: „Ich hoffe, ich komme ohne voll automatisiertes Fahren voll über die Runden“. Für diese Aussage und die Eröffnung des Buffets bekommt auch er viel Applaus.

Prominente Redner

Wirtschaftsgespräche
Den Veranstaltern der Backnanger Wirtschaftsgespräche gelingt es, Jahr für Jahr überregional bekannte Redner zu gewinnen. Bis dato hat jedoch keine Frau gesprochen. Der diesjährige Hauptredner, Udo Di Fabio, ist seit 2003 Professor an der Uni Bonn.

Backnanger
Besonders gerne werden Festredner mit Bezug zu Backnang eingeladen. Bei den Wirtschaftsgesprächen 2014 etwa war der Präsident der Bundesbank der Redner. Jens Weidmann hat 1987 in Backnang Abi gemacht.