Nicht nur die Grundversorgung stellt der neue Lebensmittelmarkt in Regie einer Genossenschaft sicher. Zu haben sind dort alle Dinge des täglichen Bedarfs, von konventionellen Nahrungsmitteln bis hin zu Natur- und Bioprodukten.

Bad Boll - Kurz nach 8 Uhr im neu eröffneten Dorfladen in Bad Boll, die ersten Kunden sind schon da. Sie sind froh, dass die Zeit ohne Lebensmittelgeschäft in der Ortsmitte vorüber ist. Im Juli 2019 hatte der Treff 3000 unerwartet zugemacht. Am Donnerstag hat nun nach einer etwa sechsmonatigen Pause in den gleichen Räumen der Dorfladen eröffnet. Er bietet alles, was man zum Leben so braucht. Geführt wird er von einer Genossenschaft. Das ist eine Besonderheit, denn die Mehrzahl der von Genossenschaften betriebenen Lebensmittelläden sind viel kleiner und haben nur Waren für den Grundbedarf im Angebot.

 

Zu den ersten Kundinnen gehört eine Frau, die seit 30 Jahren in Bad Boll lebt, und genauso lange hat sie in diesem Geschäft vis-á-vis der Stiftskirche eingekauft. Zuerst bei der Familie Henninger, die den Laden über Jahrzehnte führte, dann bei Kuhn und zuletzt beim Treff 3000. Sie freut sich, dass es weitergeht. „Das ist sehr willkommen, ich komme gerne her“, sagt sie, und eine andere Kundin beglückwünscht das Verkaufspersonal zu diesem Laden: „Das ist toll geworden! Ich habe echt Gänsehaut.“ Sie ist nur kurz hereingeschneit, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.

Ein Sofa lädt zum Verweilen ein

Links von der Eingangstür liegen orangefarbene Postkarten aus. „Je Boller, je doller“ prangt in weißen Lettern darauf. So kann Werbung für ein Lebensmittelgeschäft auch aussehen. Das Entree ist großzügig und mit viel Holz gestaltet. Der Verkaufsraum wirkt dank der niedrigen Regale luftig und übersichtlich. An einer Wand ist eine Tafel befestigt, auf der Kunden ihre Wünsche vermerken können. Feilgeboten werden herkömmliche Erzeugnisse, aber auch Natur- und Bioprodukte sowie Artikel regionaler Erzeuger. Weil sich der Dorfladen auch als sozialer Treffpunkt versteht, lädt eine gemütliche Ecke mit einem bunten Sofa zum Verweilen ein.

633 Mitglieder zählt die Genossenschaft aktuell. „Wir haben deshalb auch 633 Chefs“, sagt Oki Pütz lachend. Die 42-Jährige gehört zu dem siebenköpfigen Team, das nun von Montag bis Samstag für die Kunden da ist. Sie hat der Eröffnung entgegengefiebert. Nun ist es soweit. „Endlich“, sagt die Verkäuferin, die aus den USA stammt und seit drei Jahren in Bad Boll lebt. Zur Feier des Tages verabschiedet sie viele Kunden per Handschlag.

Am Abend zuvor hatten geladene Gäste den Dorfladen inspiziert oder, besser, mit Unterstützung des örtlichen Musikvereins gefeiert, darunter der Bürgermeister Hans-Rudi Bührle, Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, Lieferanten, Sponsoren, Gratulanten und, natürlich, Mitglieder der Genossenschaft. „Alle Genossen konnten wir nicht einladen, dazu hätte der Platz nicht gereicht“, sagt Jobst Kraus vom Vorstand mit Bedauern. Er machte deutlich, wie groß der Aufwand war, um das ehrgeizige Projekt zu stemmen. Doch bei allen Mühen sei es auch schön gewesen zu sehen, wie groß das ehrenamtliche Engagement gewesen sei. Während der vergangenen Monate habe er erlebt, dass es eine Sehnsucht nach Solidarität gebe.

Gemeinde unterstützt Projekt

Auch der Bürgermeister hob den Einsatz aller Beteiligten hervor. Im Lauf der vergangenen Wochen hätten Ehrenamtliche mehr als 3000 Stunden abgeleistet. Das sei enorm. Deshalb lud er zu einem Helferfest in eine Bad Boller Gaststätte ein. Er erinnerte ferner daran, dass die Gemeinde das Projekt, das auch die Ortsmitte beleben solle, für die Dauer von drei Jahren mit monatlich 1500 Euro unterstützt. Nun liege es in der Hand der Bürger, dass das Geschäft floriere.

Wichtig ist der Genossenschaft das Personal. Deshalb soll über mehr Personal und höhere Löhne nachgedacht werden, sobald der Dorfladen eingeführt ist. Ein erstes Lob bekam das Verkaufsteam schon vom allerersten Kunden, Henning Schindewolf. Der Genosse und Gemeinderat erklärte an der Kasse: „Ich habe alles gefunden – vor allem freundliches Personal.“