Viele befristet angestellte Experten werden wegen einer neuen Rechtslage nicht weiter beschäftigt – auf vielen Grabungen fehlt nun das Personal.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Esslingen/Stuttgart - Es ist schon eine paradoxe Situation: Auf der einen Seite entlässt das Landesdenkmalamt gerade zahlreiche Archäologinnen und Archäologen in die Arbeitslosigkeit – und auf der anderen Seite klagte Claus Wolf, der Präsident des Landesdenkmalamtes, erst vor wenigen Tagen in der StZ, dass vor allem für große Grabungen kaum noch genügend Personal gefunden werden könne. Hintergrund ist eine neue Rechtssprechung, die die Behörde in ein Dilemma führt. Intern wird das Thema derzeit wohl so heiß diskutiert, dass das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart alle Auskünfte und auch ein Gespräch mit Claus Wolf verweigert hat – man sei noch in der Abstimmung und gebe keine Zwischenergebnisse, hieß es nur.

 

Rettungsgrabungen dauern oft nur zwei Monate

Die Fakten liegen dennoch auf dem Tisch, weil sich immer mehr Archäologen wehren – vor den Arbeitsgerichten, aber auch durch Schreiben an den Landtag. Zur Sache: Schon immer war es so, dass nicht nur, aber vor allem bei Rettungsgrabungen die Spezialisten befristet für diese eine Grabung angestellt wurden. Sie arbeiten dann zwei Monate oder manchmal länger und müssen dann hoffen, einen Anschlussvertrag für ein anderes Projekt zu erhalten. Oder sie sind vorübergehend arbeitslos. Die Behörde sah dies als unumgänglich an, da Rettungsgrabungen keine Daueraufgabe seien, sondern „immer unerwünscht, durch Dritte aufgezwungen und in keiner Weise planbar“, so ein Zitat aus einem aktuellen Rechtsstreit. Landesweite Zahlen sind nicht bekannt, aber im Jahr 2013 standen im Regierungsbezirk Freiburg 123 befristet angestellte Personen 34 festen Mitarbeitern gegenüber. „Eine langfristige Familien- und Lebensplanung ist damit erschwert oder verunmöglicht“, heißt es in einem Memorandum eines Arbeitskreises, der sich jetzt bei der Gewerkschaft Verdi gebildet hat. Tatsache ist: Befristete Verträge sind in der Archäologie die Regel, nicht die Ausnahme.

Zahl der Grabungen steigt „Sprunghaft“ an

Dabei könnte man durchaus auch umgekehrt argumentieren, meint die Archäologin Lisa Deutscher: Es gebe doch jahrzehntelange Erfahrungswerte zur Zahl von Rettungsgrabungen. Laut Claus Wolf steigt diese Zahl sogar „sprunghaft“ an. Einen Pool an Archäologen für diese Arbeiten fest anzustellen, sei möglich. Lisa Deutscher selbst ist derzeit wider Willen in einer anderen Branche tätig; sie hat keine Anstellung mehr erhalten. Eine Klage endete mit einem Vergleich.

Aber diese sowieso schlimme Situation hat sich nun noch verschärft. Durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes sah sich die Landesdenkmalbehörde gezwungen, eine neue Praxis einzuführen: Nach einer gewissen Zahl befristeter Verträge darf ein Archäologe in dieser Form nicht weiter beschäftigt werden. Seither haben viele Zukunftsängste, machen Überstunden und beschweren sich nie. Denn anderswo im Land eine Stelle zu finden, ist aussichtslos – die Denkmalpflege ist ein Monopol in der Hand des Landes.

Für Verdi-Gewerkschaftssekretär Markus Kling ist es mittlerweile offensichtlich, dass die Qualität der Denkmalpflege und der Grabungen unter dieser Praxis leidet und sinkt. Denn versierte Archäologen würden weggeschickt, so dass neue Mitarbeiter immer erst eingelernt werden müssten. Und vielerorts fände man gar kein Personal mehr, so dass mit Praktikanten und Ehrenamtlichen gearbeitet werde. Der Öffentlichkeit und der Politik könne dieser untragbare Zustand nicht länger egal sein. „Die Politik muss jetzt endlich Geld in die Hand nehmen“, sagt Markus Kling.

Land muss das Geld vorschießen

Tatsächlich ist es so, dass bei Rettungsgrabungen das Verursacherprinzip gilt – der Bauherr muss also für die Kosten aufkommen. Insofern wären die Festanstellungen sogar kostenneutral. Doch muss das Land die Gelder vorschießen und deshalb die Stellen im Landeshaushalt einplanen. Womöglich gibt es dazu derzeit Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium. Schon im vergangenen Jahr waren 43,5 Stellen entfristet worden; aber man habe die Kosten aus dem bestehenden Etat rausschwitzen müssen und viele befristete Verhältnisse nicht mehr verlängert, sagt Kling.

Die Befürchtung von Lisa Deutscher und Markus Kling ist, dass die Landesdenkmalbehörde mit einer Privatisierung der Rettungsgrabungen liebäugelt. So etwas gibt es bereits in Bayern: Aufträge werden an private Firmen vergeben, die sich auf dieses Geschäft spezialisiert haben. Viele Archäologen – und auch Verdi – sind skeptisch. Es sei zu befürchten, dass die Qualitätsstandards sänken und der Druck auf die Beschäftigten zunehme. Markus Kling hielte es für besser, einen Landesbetrieb für Rettungsgrabungen zu gründen.

Grundsätzlich kritisiert er, dass die Suche nach einem Ausweg aus der Krise nicht mit den Betroffenen gemeinsam gemacht werde. Was das Land und die Landesdenkmalpflege vorhaben, hat auch der Arbeitskreis der Archäologen bisher nicht erfahren – in mehreren Gesprächen sei ihnen keinerlei Perspektive eröffnet worden. Klar ist für Lisa Deutscher aber, dass sie weiter um eine Festanstellung kämpfen will: „Archäologie ist ein wundervoller Beruf. Ich sehe es nicht ein, dass das System kaputt gemacht wird, obwohl eine Lösung doch gar nicht so schwierig wäre.“