Die Handwerkskammer Ulm fürchtet einen wirtschaftspolitischen Schaden, sollten Flüchtlinge abgeschoben werden, die sich in Ausbildung befinden. Sie würden gebraucht, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wie reagierte das Wirtschaftsministerium in Stuttgart darauf?

Ulm - Mit Blick auf drohende Abschiebungen von Flüchtlingen, die sich in einer Ausbildung befinden, hat das baden-württembergische Wirtschaftsministerium Unterstützung für betroffene Betriebe signalisiert. Man sehe in der Berufsausbildung geflüchteter Menschen einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Fachkräftemangel, teilte eine Sprecherin am Montag mit. Bislang seien an das Ministerium jedoch nur vereinzelt Fälle herangetragen worden, bei denen Betriebe beziehungsweise deren Auszubildende oder Beschäftigte von drohenden Rückführungen betroffenen waren.

 

Angesichts der Debatte über die Zurückweisung und Abschiebung von Flüchtlingen hatte zuvor die Handwerkskammer Ulm vor einem drohenden „wirtschaftspolitischen Schaden“ gewarnt. „Unsere Betriebe und damit die Kunden, Verbraucher und Bürger brauchen die Mitarbeit der geflüchteten Menschen in unseren Unternehmen“, betonte der Hauptgeschäftsführer der Ulmer Handwerkskammer, Tobias Mehlich, am Montag in einer Pressemitteilung. Deshalb hatte die Kammer Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) jetzt in einem Brief darum gebeten, sich für eine praxisnahe Umsetzung des Ausländerrechts zugunsten von Handwerksbetrieben einzusetzen.

Fast 10.000 Lehrplätze nicht belegt

Die Sprecherin von Hoffmeister-Kraut bot den Vertretern der Handwerkskammer Gespräche an. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es außerdem, mit verschiedenen Projekten und Programmen habe man sich bisher stets für die Ausbildung und Beschäftigung von Geflüchteten eingesetzt. Die Hinweise aus der Wirtschaft nehme man sehr ernst.

Tobias Mehlich von der Handwerkskammer hatte darauf hingewiesen, dass im baden-württembergischen Handwerk insgesamt 45 000 Fachkräfte fehlten und fast 10 000 Ausbildungsplätze nicht belegt seien. „Arbeits- und integrationswillige Flüchtlinge nehmen niemandem einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz weg“, sagte er. „Im Gegenteil: Sie helfen uns, beim Kunden unsere Arbeit machen zu können.“

Allein im Bereich der Handwerkskammer Ulm werden derzeit 255 Flüchtlinge ausgebildet, für Ende 2018 wird ein Anstieg auf 500 erwartet. Mehlich plädiert dafür, insbesondere Flüchtlingen, die in den Jahren 2014 bis 2016 nach Deutschland kamen und mittlerweile in einem Betrieb arbeiten sowie Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zahlen oder einen Ausbildungsvertrag haben, einen Aufenthalt ohne Abschiebungsgefahr zu ermöglichen.