Häusliche Gewalt geht tödlichen Attacken auf Partner oder ehemalige Partner häufig voran. Die Polizei registriert eine wachsende Zahl von Verletzungen jeglicher Art in noch bestehenden oder aufgelösten Beziehungen. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Stuttgart - Eine Frau stellt das Abendessen nicht pünktlich auf den Tisch und wird dafür von ihrem Mann krankenhausreif geprügelt - häusliche Gewalt, wie sie kürzlich aus Aalen gemeldet wurde, ist im Südwesten keine Seltenheit. Das Innenministerium zählt für das vergangene Jahr über 12 000 Fälle. Im Jahr zuvor waren es ähnlich viele; im Jahr 2015 waren es noch rund 11 330, wobei die Zahl nicht identisch ist mit geschädigten Individuen. Denn in vielen Fällen werden Menschen mehrfach Opfer. Die wachsende Zahl der Straftaten sei aber nicht unbedingt Zeichen dafür, dass mehr passiere, sagte ein Ministeriumssprecher. Auch das Anzeigeverhalten der Opfer von häuslicher Gewalt habe sich verändert.

 

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes sieht die Me-too-Debatte über sexuelle Übergriffe auf Frauen als hilfreich an. „Dadurch fällt es Menschen leichter, häusliche und sexualisierte Gewalt anzuzeigen“, sagte die Bereichsleiterin und Spezialistin für häusliche und sexualisierte Gewalt, Gesa Brinkmann. Zu hoffen sei, dass durch die öffentliche Diskussion des Themas die Frauen nicht länger stigmatisiert würden. Immer noch werde Opfern die Mitschuld an der Gewalt gegen sie gegeben. „Das führt dazu, dass Gewalt toleriert oder nicht ernstgenommen wird.“ Terre des Femmes fordert mehr Frauenhäuser und Beratungsstellen sowie Programme, die traumatisierten Opfern die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtern.

Überwiegende Zahl der Opfer ist weiblich

Die Polizei muss immer häufiger einschreiten und/oder Platzverweise aussprechen: 2017 gab es 7980 (2015: 7546) Einsätze wegen häuslicher Gewalt zwischen Main und Bodensee. Ein Ministeriumssprecher wertete es als positiv, dass die Polizei zunehmend als Konfliktlöser betrachtete werde. Insbesondere die steigende Zahl bei den Straftaten gegen Männer durch ihre Partnerinnen oder Partner sei auf die wachsende Bereitschaft der Opfer zurückzuführen, ihre Scham zu überwinden und sich zu offenbaren.

Die überwiegende Zahl der Opfer ist jedoch weiblich. Aber auch die Zahl der Männer, die bedroht, verfolgt oder geschlagen werden, wächst. 2017 registrierten die Behörden 2100 Fälle von Gewalt gegen Männer, 2015 waren es noch 1971. Unter häusliche Gewalt fallen psychische oder körperliche Angriffe auf Partner oder Ex-Partner nicht nur in der Wohnung des Partners, sondern in allen Lebensbereichen.

Auch ein Kontaktverbot kann Bluttaten nicht verhindern

Am stärksten schlagen Körperverletzungen zu Buche: In 7400 Fällen wurden 2017 Frauen Opfer und in 1800 Fällen Männer. Bedrohung und Nachstellen folgen mit insgesamt 1370 beziehungsweise 542 Fällen. In die Kategorie Mord und Totschlag fielen im vergangenen Jahr insgesamt 67 (2015: 58) Opfer, davon 14 (2015: 15) männlichen Geschlechts.

Im vergangenen Jahr wurden 2953 Platzverweise ausgesprochen. Im Jahr 2015 waren es noch 2685. Sie sollen eine doppelte Opferrolle durch den Verlust der Wohnung verhindern, erläuterte der Sprecher des Innenministeriums. Sie werden zunächst auf mindestens 14 Tage ausgesprochen und können je nach Situation verlängert werden. Doch auch ein Kontaktverbot kann Bluttaten nicht verhindern. So hatte etwa der mutmaßliche Mörder von Villingendorf ein Annäherungsverbot. Eine Rund-Um-Überwachung sei nicht möglich, erläuterte der Ministeriumssprecher. „Das würde unsere Kapazitäten sprengen.“