Viele Badeseen in der Region und im Land sind super sauber – sie haben enormes Potenzial. Doch wer die Menschen ins Freiwasser lockt, der muss garantieren, dass die Badestellen überwacht werden. Eine Analyse.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Welzheim - Wer regelmäßig längere Strecken im Freiwasser schwimmt, etwa in den Seen im Schwäbischen Wald rund um Welzheim oder im Bodensee, der erreicht früher oder später einen Punkt, den man als das Swimmer’s High bezeichnen könnte: Der Schwimmer fühlt sich eins mit dem Wasser. Die Bewegungen haben sich längst automatisiert. Das Eintauchen der Hände zu Beginn eines jeden Armzugs erzeugt ein permanentes Geplätscher, das sich mit dem gurgelnden Geräusch des Ausatmens unter Wasser zu einem Soundtrack der Vollkommenheit mischt. Grandios!

 

Aber man muss gar kein sportlich ambitionierter Schwimmer sein, um sich in einem der gut 300 Badeseen im Land pudelwohl zu fühlen. Die Wasserqualität ist in den allermeisten Seen sehr gut, das hat das Sozialministerium – pünktlich zu Beginn der Badesaison – alle Wasserfreunde wissen lassen. Die Seen-Sucht wächst. Wenn die Tage wärmer und wärmer werden, dann strömen die Menschen in Massen zu den Badegewässern. Selbst in kleineren Tümpeln, deren Wasserqualität gar nicht geprüft wird, und in den Flüssen – etwa im Neckar und in der Enz – wird gebadet, geplanscht und geschwommen. Ob das offiziell gestattet ist oder nicht, das ist vielen Menschen ziemlich egal.

Badestellen müssen überwacht werden

Immer mehr Bürger wollen, dass die heimischen Seen und Flüsse in ihrem Leben eine größere Rolle spielen, dass beispielsweise das Schwimmen im Neckar offiziell erlaubt wird. Der Fluss, der wenig beachtet durch Stuttgart fließt, und die Seen in der Metropolregion haben großes Potenzial. Ein bisschen besser ausgestattet, etwa mit kleinem Zeltplatz am Ufer oder einem Sandstrand, wären die Badegewässer vor der Haustüre noch viel attraktiver – nicht nur für Tagesgäste, auch für Urlauber.

Doch wer die Menschen nachdrücklich ins Freiwasser lockt, der muss auch garantieren, dass die genehmigten Badestellen überwacht werden und dass alle Kinder spätestens nach der Grundschule sicher schwimmen können. Keine Frage: Das kostet viel Geld. Aufsichtspersonal an jedem Badegewässer? Wer – bitte schön – soll das bezahlen, fragen nicht nur die Bürgermeister der zumeist kleinen Gemeinden, auf deren Markung sich die Badeseen befinden. Vielleicht wäre es möglich, auf Kreis-, regionaler oder gar auf Landesebene einen Bezahlschlüssel zu entwerfen. Jede Kommune lässt pro Einwohner ein paar Cent springen. Bei mehr als zehn Millionen Baden-Württembergern käme auf diese Weise eine ordentliche Summe zusammen. Mit dem Geld könnten die Wasserretter bezahlt werden. Mehr Kreativität ist gefragt.

Wasserrettung am Meer könnte zum Modell werden

Es darf jedenfalls nicht sein, dass im reichen Deutschland Jahr für Jahr mehrere Hundert Menschen ertrinken. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hat kürzlich einen traurigen Rekord vermeldet: Im vergangenen Jahr seien in der Bundesrepublik mindestens 537 Menschen im Wasser gestorben, seit 2010 mindesten 3094. „Wir brauchen mehr Sicherheit, vor allem an den Binnengewässern, und eine bessere Schwimmfähigkeit speziell bei der nachwachsenden Generation“, lässt die DLRG verlauten.

Die Unfallschwerpunkte sind die unbewachten Binnengewässer. An den Küsten der Nord- und Ostsee sind im vergangenen Jahr 26 Menschen ertrunken – das sind verhältnismäßig wenige. An fast allen Badeorten am Meer sorgen nämlich Rettungsschwimmer für Sicherheit. Dieses Modell sollte daher das Vorbild für die offiziell genehmigten Badegewässer in Baden-Württemberg sein.

Wenn nichts getan wird, dann kann man guten Gewissens einzig erfahrenen Freiwasserkraulern empfehlen, die Seen zu durchpflügen – was jammerschade wäre.