Die Bahn will allein in diesem Jahr weitere 10,7 Milliarden Euro in die Modernisierung der Infrastruktur investieren. Bundesweit wird es bis zu 800 Baustellen gleichzeitig geben.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn AG sagt dem Stau auf der Schiene den Kampf an. So knackig fasst der größte Staatskonzern sein Maßnahmenpaket zusammen, das für mehr Qualität und Kapazität im deutschen Schienenverkehr sorgen soll. Größter Schwachpunkt seit Jahren: die überlastete und teils marode Infrastruktur, die viel zu lange vernachlässigt und unterfinanziert wurde. Die Kehrtwende ist eingeleitet. Allein in diesem Jahr will der Konzern weitere 10,7 Milliarden Euro in die Modernisierung von 1500 Kilometer Gleisen, über 300 Brücken und rund 650 Bahnhöfen stecken. Das kündigte DB-Vorstand Ronald Pofalla in Berlin an. Mehr als 50 Großprojekte sind demnach aktuell in Planung und Bau.

 

„Wir sind auf dem richtigen Weg“, betont der frühere Leiter des Bundeskanzleramts. Seit 2010 seien 16 000 Kilometer Gleise und somit fast die Hälfte des Streckennetzes saniert worden. Auch der Zustand von Anlagen und Brücken habe sich verbessert. Die Investitionen in das Eisenbahnnetz sowie das verbesserte Bau- und Engpassmanagement zeigten Wirkung. „Wir bekommen das Fahren und Bauen immer besser in den Griff“, meint der Manager. Trotz eines um 20 Prozent erhöhten Bauvolumens seien die dadurch verursachten Zugverspätungen um 27 Prozent reduziert worden.

Auch in diesem Jahr wird von Reisenden und Pendlern viel Geduld verlangt

Trotzdem wird von Reisenden und Pendlern auch in diesem Jahr viel Geduld und Verständnis verlangt. Im Schnitt gibt es bundesweit täglich rund 800 Baustellen im 34 000 Kilometer langen Schienennetz und bei den mehr als 5000 Bahnhöfen. Zudem sind vor allem viele Bahnbrücken und Tunnel wegen ihres hohen Alters stark reparaturbedürftig und viele Strecken in und zwischen den Großstädten überlastet.

In Baden-Württemberg wird wegen einer Großbaustelle auf der Strecke zwischen Heidelberg und Karlsruhe vorübergehend nur ein Gleis zur Verfügung stehen. Die Bauarbeiten auf dem Streckenabschnitt zwischen Heidelberg und Bruchsal sind vom 20. Juli bis 8. September angesetzt. Nachts muss die Strecke laut Bahn komplett gesperrt werden. Das hat unter anderem Auswirkungen auf den Fernverkehr in Richtung Karlsruhe, Stuttgart, Frankfurt und Mainz. Mit Zugausfällen müssen Reisende bereits im März auf der Strecke zwischen Stuttgart nach München rechnen. Vom 23. bis 26. März kommt es wegen einer Weichenerneuerung zu einer Totalsperrung zwischen Stuttgart und Ulm.

Die DB-Spitze steht wegen der vielen Mängel stark unter Druck

Die DB-Spitze um Vorstandschef Richard Lutz steht wegen der vielen Mängel im bundeseigenen Netzes und der daraus oft resultierenden Störungen im Zugverkehr stark unter Druck. Mit seiner „Agenda für eine bessere Bahn“ will Lutz die Wende schaffen. Zentraler Teil sind die Beseitigung vieler operativer Schwächen und hausgemachter Defizite sowie die teure und langwierige Modernisierung der Infrastruktur, die der Konzern in Ordnung halten soll. Dafür erhält die zuständige DB Netz AG jedes Jahr sehr viel Geld aus der Staatskasse. Auch die Investitionen 2019 finanziert zum allergrößten Teil der Steuerzahler. Allein 4,3 Milliarden Euro kommen aus der Leistungs- und Finanzierungs-Vereinbarung (LuFV 2), die der DB jedes Jahr hohe Bundesmittel zum Erhalt des bestehenden Schienennetzes garantiert.

Weitere 2,3 Milliarden Euro zahlt der Staat für Neu- und Ausbauten. 1,8 Milliarden Euro sollen aus Fördertöpfen des Bundes für die Kommunen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz fließen. Lediglich gut 2,3 Milliarden Euro - also kaum mehr als ein Fünftel - steuert der Konzern aus eigenen Mitteln bei.

Die Bahn-Spitze reagiert mit einer Charme-Offensive auf einen Brandbrief aus dem Südwesten

Auf einen Brandbrief von Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann haben die Bahnvorstände unterdessen mit einer Charme-Offensive geantwortet. „Der Zustand der Deutschen Bahn beunruhigt mich sehr“ – so lautete das alarmierende Fazit eines achtseitigen Brandbriefs, den Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann zum Jahreswechsel an den Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn AG, Michael Odenwald, geschickt hatte. Unsere Redaktion berichtete damals exklusiv über das Schreiben, in dem der Grünen-Politiker vom Staatskonzern sowie der Bundesregierung durchgreifende Reformen fordert und die eigenen Erfolge durch die vielen Mängel im Schienenverkehr gefährdet sieht.

Nun stellte Hermann bei einer Pressekonferenz die Antwort von DB-Chef Richard Lutz und dessen Vize Ronald Pofalla vor. Lutz und Ex-Kanzleramtsminister Pofalla loben die Verkehrspolitik im Ländle als „wegweisend“ und „beispielgebend“ – und sehen sich in der Bedeutung der Schiene für die Mobilität der Zukunft mit dem Minister „vollkommen einig“. Konkret lobt die DB-Spitze unter anderem den am 9. Dezember eingeführten BW-Tarif, der Bahnfahren günstiger macht, und die Bereitstellung von Landesmitteln für die Elektrifizierung der Südbahn und der Hochrheinstrecke - beides Infrastrukturprojekte, für deren Finanzierung eigentlich der Bund zuständig wäre.