Das Reisezentrum im Zuffenhäuser Bahnhof wird durch ein digitales Video-Reisezentrum ersetzt. Einige Bürger haben sich vor Ort versammelt, um gegen die Pläne zu demonstrieren. Sie möchten, dass zumindest ein Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Zuffenhausen - Der Würfel ist gefallen: Er misst Seite mal Höhe etwa um die drei bis vier Meter, ist in Blautönen lackiert und steht auf dem Bahnhof Zuffenhausen. Wer durch die noch verschlossene Eingangstür ins Innere des Kubus schaut, sieht Knöpfe, Schlitze für Kreditkarten oder Bargeld, Tastaturen für die Fahrkartenbestellung und Bildschirme, alles nagelneu, digital und automatisiert. Über der Eingangsseite des Würfels steht: „DB Video-Reisezentrum“.

 

Mehr Platz als in den gelben Telefonzellen längst vergangener Tage hat der Nutzer in dem quadratischen Cockpit schon – aber nicht all zu viel mehr. Fahrgäste mit Platzangst werden es vermutlich meiden. Genauso wie ältere Bahnreisende und Nutzer des Öffentlichen Nahverkehrs, die mit Digitalisierung, Videoschaltung und Beratung am Bildschirm nicht viel anzufangen wissen. Dennoch hat sich die Deutsche Bahn schon vor längerem entschlossen, ihr bisheriges Reisezentrum in Zuffenhausen zu schließen und durch ein digitales Angebot dieser Art zu ersetzen. Statt persönlicher Beratung vor Ort wird es also künftig nur noch Video-Bildschirme geben, die mit Beratern und Beraterinnen in einer Zentrale in Ludwigsburg verbunden sind.

Die Bahn behauptet, der neue Service biete nur Vorteile

Insgesamt werden nun an 19 Standorten in der Region solche vollautomatisierten Kabinen installiert: „Der Service bietet nur Vorteile“, wirbt Reinhold Pohl reichlich verwegen in einer Pressemitteilung für das Angebot. Der DB-Leiter des regionalen Vertriebs Süd sieht folgende Vorzüge: „Persönliche, aber kontaktlose Beratung und Verkauf, eine komplette Angebotspalette und lange Öffnungszeiten.“

Aber vollmundige Versprechungen und PR-Parolen wie diese verfangen in Zuffenhausen genauso schlecht wie zuletzt in Korntal. Im Gegenteil: Sie stoßen dort eher auf den Widerstand und Ablehnung einer alteingesessenen Bürgerschaft. Eine ganze Menge Unterschriften gegen das Vorhaben wurde in Zuffenhausen gesammelt, der Bezirksbeirat sprach sich dagegen aus und Protest wurde organisiert: „Wir sind heute hier, weil wir nicht damit einverstanden sind, dass das Reisezentrum, in dem wir über Jahrzehnte eine hervorragende Betreuung und Beratung durch hoch motivierte, geduldige, freundliche, kompetente, für alle Fragen offene und um Antworten bemühte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch ein Video-Reisezentrum ersetzt wird, in dem man, wenn die Technik funktioniert und man sich das antun will – mit einem Menschen in Ludwigsburg reden kann“, sagte Susanne Bödecker am vergangenen Freitagnachmittag bei der Mini-Demo. Sie ist Mitglied von „Die Fraktion“ im Zuffenhäuser Bezirksbeirat und hatte als Initiatorin zu der öffentlichen Protestnote und Abschiedsveranstaltung direkt vor dem Reisezentrum aufgerufen. Apropos Note: Der Komponist und Musiker Christoph Haas war auch dem Ruf gefolgt, hatte seine koreanische Buk und indische Tanzglöckchen mitgebracht. Er trommle schon seit vielen, vielen Jahren „auf politischen und sozialen Veranstaltungen für die gute Sache“, stellte sich der Stuttgart-21-Gegner vor und gab damit auch das passende Motto für den Erhalt des Reisezentrums vor: „Offen bleiben“ skandierten die Anwesenden im Takt seiner getrommelten und getanzten Rhythmen immer wieder durch die kleine Unterführung. Die Akustik des Protestes unterstützte eine Frau mit weißer Maske und dunklem Mantel mit Schriftzügen: „Menschen statt Video-Zentrum“ hatte sie auf ein Pappschild geschrieben.

Demonstranten tragen Trauerkleidung

Manche der rund 15 Teilnehmer waren fast ganz in schwarz gekleidet – auch um ihre Trauer und ihr Bedauern über die Schließung des Reisezentrums Ausdruck zu verleihen. Am Ende gab es einen Strauß roter Rosen und Präsente für eine langjährige Mitarbeiterin im Reisezentrum. Danach war Dienstschluss, der Vorhang wurde vorgezogen, Schotten dicht, Ende dieser Woche gehen voraussichtlich im DB-Reisezentrum Zuffenhausen endgültig die Lichter aus.

Auch wenn die Arbeitsplätze nicht verloren gehen und die Beschäftigten in das Team der Videoreisezentrale in Ludwigsburg wechseln können, bleibt Wehmut. Der frühere Bezirksvorsteher Wolfgang Meyle erinnerte an den 18. September 1982. Damals wurde der neue Bahnhof samt dem neuen Reisezentrum vom Oberbürgermeister Manfred Rommel eröffnet. Fast 40 Jahre ist das bald her. „Wir haben von hier aus viele unsere Bahnreisen gebucht, wir konnten immer nachfragen, der Service und die Beratung waren erstklassig“, denkt das Ehepaar Meyle gerne zurück. Sogar während der Reise verloren gegangene und vergessene Gepäckstücke hätten die Mitarbeiter der DB nachträglich wiederbeschafft. Und jetzt werde das Reisezentrum einfach wegrationalisiert: „Das ist ein Armutszeugnis für eine reiche Gesellschaft wie unsere“, sagte Meyle und sprach sich dafür aus, zumindest einen Arbeitsplatz vor Ort zu erhalten und einen Hybridstandort sowohl mit Video-Anlage als auch persönlicher Beratung einzurichten. Dafür plädierte auch Bödecker: „Wir sollten die nächsten anderthalb bis zwei Jahre nutzen und uns zusammen mit vielen anderen Menschen über das Fehlen des bisherigen Reisezentrums beschweren.“ Vielleicht gelinge es ja dann, dass „das Reisezentrum parallel zum Video-Zentrum wieder geöffnet werden muss: Das ist unsere Hoffnung und unser Ziel.“