Der Verband der Volks- und Raiffeisenbanken schließt eine Weitergabe der von den Instituten zu zahlenden Strafzinsen an die breite Kundschaft nicht aus. Bislang blieben Normalsparer davon verschont. Bei einer Fortsetzung der aktuellen EZB-Politik könne sich das aber ändern, heißt es.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Genossenschaftsbanken fürchten, dass das aktuelle Zinstief noch drei bis fünf Jahre anhält. „Wir werden uns weiter darauf einstellen müssen“, sagte die Präsidentin des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak, am Donnerstag in Frankfurt. Vor diesem Hintergrund schloss sie auch die Weitergabe der von Banken zu entrichtenden Minuszinsen an die breite Kundschaft nicht aus: „Es wird für Banken immer schwerer, bei anhaltenden Negativzinsen eine angemessene Profitabilität im Kundengeschäft sicherzustellen, insbesondere, wenn auf die Weitergabe der Negativzinsen im Mengengeschäft verzichtet wird“, erklärte Kolak. „Wenn sich das Thema verstetigt, werden sicher alle Banken diesen Umstand neu bewerten müssen.“

 

Der Hintergrund: Alle Kreditinstitute in der Eurozone zahlen seit fünf Jahren Strafzinsen auf ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Viele Banken und Sparkassen geben diese Kosten schon heute an Unternehmenskunden weiter, einige erheben auch Minuszinsen von reichen Privatpersonen mit Einlagen über 100 000 Euro. Normalsparer blieben bislang aber davon verschont. De facto erhielten die Kunden damit „Sonderkonditionen“, sagte Kolak. Zur Begründung führte sie aus, die Institute müssten das Einlagengeschäft aus anderen Ertragsquellen quersubventionieren. Sie verglich die Strafzinsen der EZB mit Rohstoffkosten im Energiesektor, bei deren Anstieg die Strom- oder Benzinpreise erhöht würden. Ob tatsächlich Minuszinsen für Kunden eingeführt würden, sei aber Sache jeder einzelnen Volks- und Raiffeisenbank. Wie der am Donnerstag vorgelegte Jahresabschluss zeigt, kann die Genossenschaftliche Finanzgruppe die Minuszinsen bislang gut kompensieren. Zwar sank das Ergebnis nach Steuern gegenüber dem Vorjahr um elf Prozent auf 5,4 Milliarden Euro, der Rückgang ist aber hauptsächlich auf den Wertverlust von Finanzanlagen der Gruppe wegen der Turbulenzen an den Kapitalmärkten Ende 2018 zurückzuführen.

Noch können die Genossen die Niedrigzinsen gut ausgleichen

„Das klassische Bankgeschäft verlief erfreulich stabil“, betonte der BVR. Der leichte Rückgang des Zinsüberschusses um 1,4 Prozent wurde durch einen höheren Provisionsüberschuss ausgeglichen. Dazu trugen neben den Provisionen für die Vermittlung von Immobilien und Geldanlagen auch die Kontogebühren bei. Die Mehreinnahmen seien aber nicht allein auf Gebührenerhöhungen, sondern auch auf „Mengeneffekte“ zurückzuführen, betonte BVR-Vorstand Andreas Martin. Hinzu kämen die Kosten für die Nutzung neuer Dienstleistungen wie beispielsweise Echtzeit-Überweisungen (Instant Payments).

Auch für die nächsten Jahre sieht der BVR noch Möglichkeiten, die Provisionseinnahmen zu steigern. Schließlich gebe es bei der Vermittlung von Finanzprodukten für die Altersvorsorge noch erheblichen Bedarf, sagte Kolak. Auch bemühe man sich weiter um Kosteneinsparungen. Auf Dauer aber gelte: „Allein durch den Ausbau des Provisionsgeschäfts und das Heben von Effizienzreserven sind die erforderlichen zusätzlichen Erträge bei Fortführung dieser Geldpolitik in Zukunft kaum zu erzielen.“ Die EZB hat angedeutet, dass die von den Geschäftsbanken erhobenen Strafzinsen noch verschärft werden könnten.Unter welchen Umständen Negativzinsen auf Kundeinlagen rechtlich überhaupt zulässig sind, ist umstritten. So untersagte das Landgericht Tübingen 2018 der Volksbank Reutlingen die Einführung von Minuszinsen auf Girokonten, weil diese bereits gebührenpflichtig waren. Eine Negativverzinsung liefe damit auf „eine doppelte Bepreisung“ heraus. Bezogen auf Sparkonten erklärte das Gericht allerdings nur die Einführung von Negativzinsen auf Altverträge für unzulässig.

Die Rechtmäßigkeit von Minuszinsen ist umstritten

Ein höchstrichterliches Urteil liegt bislang nicht vor. Auch auf Girokonten mit hohen Guthaben erheben deshalb weiterhin eine Reihe von Instituten solche „Verwahrentgelte“, wie sie in der Finanzbranche gern genannt werden.